Politik debattiert über Mehrwertsteuersenkung

Die aktuell hohe Inflation lässt auch die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen. Vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen leiden darunter, da sie anteilig den größten Teil ihrer Kaufkraft für Waren des Grundbedarfs wie Lebensmittel ausgeben.¹Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (2022): Folgen der Inflation treffen untere Mittelschicht besonders: staatliche Hilfspakete wirken nur begrenzt. Online unter: https://www.diw.de/de/diw_01.c.845417.de/publikationen/wochenberichte/2022_28_1/folgen_der_inflation_treffen_untere_mittelschicht_besonders__staatliche_hilfspakete_wirken_nur_begrenzt.html [28.07.2022]

Auch deshalb werden mehr und mehr Stimmen laut, die sich für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf ausgewählte Lebensmittelgruppen aussprechen – orientiert an deren Klimafreundlichkeit. So unterstützen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, das Bundesumweltamt und der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse.²Tagesschau (2022): Vorschlag des Umweltbundesamtes: Entlastung über Wegfall der Mehrwertsteuer? Online unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/umweltbundesamt-mehrwertsteuer-101.html [28.07.2022] ³Tagesschau (2022): Hohe Preise bei Obst und Gemüse: Auch Özdemir für Mehrwertsteuerbefreiung. Online unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/mehrwertsteuer-lebensmittel-105.html [28.07.2022] ⁴Handelsblatt (2022): Hamburg startet Initiative für Mehrwertsteuer-Aus bei Lebensmitteln. Online unter: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/inflation-hamburg-startet-initiative-fuer-mehrwertsteuer-aus-bei-lebensmitteln/28405798.html [28.07.2022]

Die Mehrwertsteuer: ein täglicher Begleiter

Egal, ob im Supermarkt, beim Online-Shopping oder im Restaurant: Wir alle zahlen Mehrwertsteuer, wenn wir Güter oder Dienstleistungen erwerben. Dabei gibt es in Deutschland 2 Steuersätze. Der Regelsteuersatz beträgt 19 %. Diese 19 % werden auf jeden steuerpflichtigen Netto-Umsatz gerechnet und addiert. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz beträgt 7 % und gilt für den Grundbedarf. Was zum Grundbedarf gehört, ist aus heutiger Sicht allerdings teils überholt.

Garnelen, Trüffel und Wachteleier – Güter des täglichen Bedarfs?

Brot, Kartoffeln, Äpfel, Linsen – hierauf zahlen wir 7 % Mehrwertsteuer. Diese Waren als Grundnahrungsmittel zu deklarieren, leuchtet vielen ein. Auch für Fleisch, Fisch und Milchprodukte gilt der ermäßigte Steuersatz. Mit Blick auf die Umweltauswirkungen tierischer Produkte ist das allerdings diskussionswürdig – zumal sie für eine gesunde Ernährung nicht unbedingt notwendig sind.

Besonders skurril: Auch für den Kauf von Brieftauben, Rindermägen und rohen Knochen fallen nur 7 % Steuer an.⁵Bundesministerium der Justiz: Umsatzsteuergesetz (UStG) Anlage 2 (zu § 12 Absatz 2 Nummer 1, 2, 12, 13 und 14) Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände. Online unter:
www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/anlage_2.html [28.02.2022]

Tampons sind keine Luxusartikel mehr

Die fragwürdige Einteilung von Konsumgütern in Grundbedarf und Luxusartikel ist nicht erst seit der hohen Inflationsrate Thema öffentlicher Debatten. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es durchaus möglich ist, die Steuerkategorie eines Produkts anzupassen: Seit 2020 gelten auf Periodenprodukte nur noch 7 % statt vorher 19 %.⁶Tagesschau (2019): Beschlüsse des Bundesrates: Tampons werden billiger. Online unter: https://www.tagesschau.de/inland/bundesrat-233.html [28.07.2022] Hunderttausende Menschen hatten zuvor in lautstarken Kampagnen auf den Missstand hingewiesen. Die Politik hat sich letztlich dem öffentlichen Druck gebeugt.

Sie möchten nicht länger für Ihre klimabewusste Kaufentscheidung draufzahlen? Unterstützen Sie uns jetzt mit Ihrer Unterschrift bei der Forderung nach 0 % Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel! „0 % fürs Klima“ ist eine Initiative von ProVeg mit Unterstützung von Upfield, Endori, Berief, Dr. Mannah’s, hemi, European Vegetarian Union, Albert Schweitzer Stiftung und Balpro.