Pro Gesundheit
0 % fürs Klima: Ist Pflanzenmilch gesünder als Kuhmilch?
Kathleen Gerstenberg 1. November 2022
Mit der neuen Kampagne „0 fürs Klima“ macht sich ProVeg dafür stark, dass der Mehrwertsteuersatz für alle pflanzlichen Lebensmittel auf 0 % gesenkt wird. Besonders die steuerliche Benachteiligung von Pflanzenmilch gegenüber Kuhmilch steht im Widerspruch zu klimapolitischen Zielen. In einer Blog-Reihe beleuchten wir die Hintergründe. Dieses Mal: Warum Kuhmilch gesund ist – für kleine Kälbchen.
Milch ist für Neugeborene
Milch ist eine ganz besondere Körperflüssigkeit. Gleich nach der Geburt haben Säugetier-Mütter ein perfektes Nahrungsmittel an der Hand, um ihr Neugeborenes mit allen Nährstoffen und wichtigen Stoffen zum Schutz vor Krankheiten zu versorgen. Kühe, wie alle anderen Säugetiere auch, produzieren nur dann Milch, wenn sie Junge haben. Für das kleine Kalb ist Kuhmilch das perfekte Lebensmittel – aber für einen erwachsenen Menschen ist Milch eigentlich nicht vorgesehen.
ProVeg-Kampagne: 0 fürs Klima
7 % Mehrwertsteuer auf Kuhmilch, aber 19 % auf Pflanzenmilch? Klimafreundliche Lebensmittel dürfen nicht steuerlich benachteiligt werden. Deshalb fordern wir: runter mit dem Mehrwertsteuersatz für pflanzliche Lebensmittel!
Wachstumshormone und gesättigte Fettsäuren
Milch ist optimal auf die Bedürfnisse eines Neugeborenen abgestimmt. Damit ein kleines Kalb in 50 Tagen sein Geburtsgewicht verdoppeln kann, braucht es wachstumsfördernde Substanzen in der Muttermilch. Bei Menschen kann das in der Milch enthaltene Wachstumshormon IGF-1 beispielsweise an der Entstehung von Akne beteiligt sein.1 Juhl, C., Bergholdt, H., Miller, I. et al. (2018): Dairy Intake and Acne Vulgaris: A Systematic Review and Meta-Analysis of 78,529 Children, Adolescents, and Young Adults. Nutrients 10, Nr. 8: 1049. Verfügbar unter: https://doi.org/10.3390/nu10081049 (14.03.2022 Auch beim Auftreten von Krebs spielt das Hormon möglicherweise eine Rolle.2Kaaks, Rudolf (2004): Nutrition, Insulin, IGF-1 Metabolism and Cancer Risk: A Summary of Epidemiological Evidence. Novartis Foundation Symposium 262 : 247–60; discussion 260-268. 3 Key, Timothy J (2011): Diet, Insulin-like Growth Factor-1 and Cancer Risk. The Proceedings of the Nutrition Society, 1–4. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1017/S0029665111000127 (14.03.2022
Kuhmilch liefert wichtiger Nährstoffe, wie beispielsweise Calcium und die Vitamine B2 und B12. Allerdings enthält sie auch die als eher ungünstig geltenden gesättigten Fettsäuren und Transfettsäuren, die mit der Entstehung von Krebs, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden.4DGE (2015): Ausgewählte Fragen und Antworten zur 2. Version der DGE-Leitlinie „Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“. Verfügbar unter: http://www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/faq/FAQ-Fett-LL-2v.pdf [16.06.2022] 5 EFSA (2010): Scientific opinion on dietary reference values for fats, including saturated fatty acids, polyunsaturated fatty acids, monounsaturated fatty acids, trans fatty acids, and cholesterol. EFSA Journal 8 1461. Verfügbar unter: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2010.1461 [16.06.2022]
Ist Milch gesund?
Ob Kuhmilch zu einer gesunden Ernährung gehört, ist mittlerweile umstritten. Mehr Hintergründe, warum der Konsum von Milch überdacht werden sollte und welche Vorteile pflanzliche Alternativen bieten.
75 % der Weltbevölkerung ist laktoseintolerant
Die meisten Menschen verlieren, so wie alle Säugetiere, nach dem Säuglingsalter allmählich das Darmenzym Laktase und damit die Fähigkeit, Laktose zu verdauen – die Hauptform des Zuckers in Kuhmilch. Etwa 75 % der erwachsenen Weltbevölkerung ist laktoseintolerant.6Silanikove, N., G. Leitner & U. Merin (2015): The Interrelationships between Lactose Intolerance and the Modern Dairy Industry: Global Perspectives in Evolutional and Historical Backgrounds. Nutrients.
Auch die Kuhmilchallergie ist weit verbreitet: Mit 1 – 3 % ist sie die häufigste Form der Lebensmittelallergie bei Säuglingen und Kindern. Sie sorgt für eine immunologische Reaktion auf bestimmte Proteine in der Kuhmilch, insbesondere β-Lactoglobulin und Kasein, die zu sofortigen Überempfindlichkeitsreaktionen führen können.7Knopfler, M. (2016): How Compatible is Cow’s Milk with the Human Immune System? The Science Journal of the Lander College of Arts and Sciences. Vol. 9. No. 2. p. 182- 190 8Bahna, S. L. (2002): Cow’s milk allergy versus cow milk intolerance. Ann. Allergy Asthma Immunol. 89, p.56–60 9FAO (2013): Milk and dairy products in human nutrition. available at: https://www.fao.org/3/i3396e/i3396e.pdf [12.05.2022]
Antibiotika-Rückstände in Milchprodukten
Chemische Verunreinigungen in Kuhmilch und Kuhmilchprodukten wie Antibiotika, Hormone und Pestizide stellen ebenfalls ein Gesundheitsrisiko dar. Milchkühe erhalten Antibiotika zur Bekämpfung von Mastitis, Parasiten und anderen Krankheiten sowie zur Steigerung der Milchproduktion. Sie werden den Tieren unter anderem durch Injektionen oder das Futter verabreicht. Das kann dazu führen, dass sie in Kuhmilch und Kuhmilchprodukten als Rückstände auftauchen.10Khaniki, R.J. et al. (2007): Chemical Contaminants in Milk and Public Health Concerns: A Review. doi:10.3923/ ijds.2007.104.115
Pflanzenmilch als leckere und nahrhafte Alternative
Pflanzenmilch bereichert die Ernährung und bringt Abwechslung auf den Speiseplan. Sojamilch beispielsweise enthält mit 3 g pro 100 ml in etwa die gleiche Menge Protein wie Kuhmilch. Da viele Hersteller Sojamilch mit Calcium und anderen Vitaminen wie B12, B2, D und A anreichern, befinden Ernährungsexpert:innen, dass Sojamilch als ernährungsphysiologisch adäquate Alternative zu Kuhmilch verwendet werden kann.11Mäkinen O. E., Wanhalinna V., Zannini E. et al. (2016): Foods for Special Dietary Needs: Non-dairy Plant-based Milk Substitutes and Fermented Dairy-type Products. Crit Rev Food Sci Nutr. 56, p.339–349 12Parrish, C. R. (2018): Moo-ove Over, Cow’s Milk: The Rise of Plant-Based Dairy Alternatives. Practical Gastroenterology. p.20-27 Darüber hinaus hat Sojamilch ähnliche Eigenschaften wie Kuhmilch, wenn sie als Ersatz beim Kochen, Backen und Aufschäumen für Kaffee verwendet wird.
Kohlenhydrate, Fette, Proteine – wie schneidet Pflanzenmilch im Nährstoffvergleich ab?
Weitere Hintergründe zu Pflanzenmilch, inklusive Nährstoffprofile ausgewählter Sorten, gibt es im ProVeg Pflanzenmilch-Report.
Hafer, Erbse, Mandel: Pflanzenmilch für jeden Geschmack
Pflanzenmilch hat in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Gab es Milchalternativen bis vor einigen Jahren nur in ausgewählten Bio- und Asialäden, sind die Supermarktregale heutzutage prall gefüllt mit einer großen Auswahl. Mandel- und Erbsenmilch reihen sich ein zwischen verschiedenen Getreidemilchsorten. Von „Zero“ bis baristatauglich, von glutenfrei bis extra proteinreich – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Auch Pflanzenmilchsorten auf Basis von Lupine, Cashew, Quinoa, Leinsamen, Hanf, Walnuss oder auch Haselnuss sind in einigen Ländern im Handel erhältlich.
Sie möchten nicht länger für Ihre klimabewusste Kaufentscheidung draufzahlen? Unterstützen Sie uns jetzt mit Ihrer Unterschrift bei der Forderung nach 0 % Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel! „0 % fürs Klima“ ist eine Initiative von ProVeg mit Unterstützung von Upfield, Endori, Berief, Dr. Mannah’s, hemi, European Vegetarian Union, Albert Schweitzer Stiftung und Balpro.
Pro Gesundheit
Alle hier vorgestellten Pflanzenmilchsorten sind – genau wie Kuhmilch – nicht als Muttermilchersatz für Säuglinge geeignet. Im ersten Lebensjahr sollten Milchmahlzeiten immer aus Muttermilch oder einer speziellen Säuglingsnahrung bestehen. Für die gesunde Entwicklung von Kindern eignet sich auch pflanzliche Säuglingsnahrung.13 Vandenplas Y, Castrellon G, Rivas R et al. (2014): Safety of Soya-Based Infant Formulas in Children. The British Journal of Nutrition 111, Nr. 8 (28. April 2014): 1340–60. https://doi.org/10.1017/S0007114513003942
In diesem Artikel geht es um allgemeine Ernährungstipps. Wenn Sie Bedenken bezüglich Ihrer Ernährung haben, wenden Sie sich bitte an Ihre Hausarztpraxis, um eine Überweisung für eine Ernährungsberatung zu erhalten.
Quellen[+]
↑1 | Juhl, C., Bergholdt, H., Miller, I. et al. (2018): Dairy Intake and Acne Vulgaris: A Systematic Review and Meta-Analysis of 78,529 Children, Adolescents, and Young Adults. Nutrients 10, Nr. 8: 1049. Verfügbar unter: https://doi.org/10.3390/nu10081049 (14.03.2022 |
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↑2 | Kaaks, Rudolf (2004): Nutrition, Insulin, IGF-1 Metabolism and Cancer Risk: A Summary of Epidemiological Evidence. Novartis Foundation Symposium 262 : 247–60; discussion 260-268. |
↑3 | Key, Timothy J (2011): Diet, Insulin-like Growth Factor-1 and Cancer Risk. The Proceedings of the Nutrition Society, 1–4. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1017/S0029665111000127 (14.03.2022 |
↑4 | DGE (2015): Ausgewählte Fragen und Antworten zur 2. Version der DGE-Leitlinie „Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“. Verfügbar unter: http://www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/faq/FAQ-Fett-LL-2v.pdf [16.06.2022] |
↑5 | EFSA (2010): Scientific opinion on dietary reference values for fats, including saturated fatty acids, polyunsaturated fatty acids, monounsaturated fatty acids, trans fatty acids, and cholesterol. EFSA Journal 8 1461. Verfügbar unter: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2010.1461 [16.06.2022] |
↑6 | Silanikove, N., G. Leitner & U. Merin (2015): The Interrelationships between Lactose Intolerance and the Modern Dairy Industry: Global Perspectives in Evolutional and Historical Backgrounds. Nutrients. |
↑7 | Knopfler, M. (2016): How Compatible is Cow’s Milk with the Human Immune System? The Science Journal of the Lander College of Arts and Sciences. Vol. 9. No. 2. p. 182- 190 |
↑8 | Bahna, S. L. (2002): Cow’s milk allergy versus cow milk intolerance. Ann. Allergy Asthma Immunol. 89, p.56–60 |
↑9 | FAO (2013): Milk and dairy products in human nutrition. available at: https://www.fao.org/3/i3396e/i3396e.pdf [12.05.2022] |
↑10 | Khaniki, R.J. et al. (2007): Chemical Contaminants in Milk and Public Health Concerns: A Review. doi:10.3923/ ijds.2007.104.115 |
↑11 | Mäkinen O. E., Wanhalinna V., Zannini E. et al. (2016): Foods for Special Dietary Needs: Non-dairy Plant-based Milk Substitutes and Fermented Dairy-type Products. Crit Rev Food Sci Nutr. 56, p.339–349 |
↑12 | Parrish, C. R. (2018): Moo-ove Over, Cow’s Milk: The Rise of Plant-Based Dairy Alternatives. Practical Gastroenterology. p.20-27 |
↑13 | Vandenplas Y, Castrellon G, Rivas R et al. (2014): Safety of Soya-Based Infant Formulas in Children. The British Journal of Nutrition 111, Nr. 8 (28. April 2014): 1340–60. https://doi.org/10.1017/S0007114513003942 |
Über die Autorin
Kathleen Gerstenberg
Content-Managerin
Unsere Autorin interessiert sich für gesunde Ernährung. Seit 2018 ist sie bei ProVeg, liebt Wortneuschöpfungen und jongliert als Content-Managerin mit Sprache, um noch mehr Menschen für eine pflanzliche Lebensweise zu begeistern.