Politik
Bezeichnungen für pflanzliche Alternativen sind verwirrend
Linda Blochberger 25. Mai 2022
Die Kennzeichnung pflanzlicher Alternativen soll Verbraucher:innen helfen. Laut einer Studie sind allerdings 47 % von der aktuellen Kennzeichnung verwirrt. Die Regelungen sind nicht intuitiv und werden von der Kundschaft und den Unternehmen als umständlich empfunden. Zuletzt stand ein Pflanzenmilchproduzent vor Gericht.
Konsument:innen würden mehr pflanzliche Alternativen kaufen
Die gute Nachricht zuerst: Die Studie des Instituts für Handelsforschung Köln zeigt, dass 58 % der Verbraucher:innen wenig bis gar kein Fleisch essen. Trotzdem empfindet fast die Hälfte der Käufer:innen pflanzlicher Fleisch- und Milchalternativen deren Kennzeichnung als verwirrend. Die Konsequenz: 27 % der Personen, die Schwierigkeiten mit der Kennzeichnung der Produkte haben, kaufen weniger pflanzliche Alternativprodukte.
Besonders Bezeichnungen wie „Auf Basis von Erbsen“ sind laut der Studie sehr missverständlich, da die Konsument:innen fälschlicherweise erwarten, dass Erbsen die Hauptzutat sind. Auch Umschreibungen wie „vegane, gewolfte Sojazubereitung“ für veganes Sojahack empfinden viele Personen als irreführend, da ihnen der Anwendungsbezug fehlt.1 Institut für Handelsforschung Köln (2022): Kennzeichnung von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten. Eine bevölkerungsrepräsentative Befragung von Verbraucher:innen. Online unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/2022-04/220307_IFH%20K%C3%96LN_Verbraucherzentrale_Kennzeichnung%20von%20Ersatzprodukten_final.pdf [07.06.2022]
Anzahl der vegan, vegetarisch und flexitarisch lebenden Menschen in Deutschland
Für Umweltschutz, Tierwohl oder Gesundheit: Die Zahl der vegan, vegetarisch und flexitarisch lebenden Menschen in Deutschland steigt. Vor allem Letztere treiben die Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte maßgeblich voran.
Verwirrende Leitsätze für pflanzliche Alternativen
Grund für die umständlichen Bezeichnungen sind die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK). Diese legen unter anderem fest, wie eine pflanzliche Alternative bezeichnet werden darf. Häufig sind diese nur schwer nachvollziehbar, da Begriffe wie „vegetarisches Schnitzel“ erlaubt sind, „vegane Leberwurst“ hingegen nicht.2Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (2018): Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Online unter: https://www.deutsche-lebensmittelbuch-kommission.de/fileadmin/Dokumente/neufassung_leitsaetze_fuer_vegane_und_vegetarische_lebensmittel.pdf [07.06.2022]
Auch bei Milchalternativen gibt es ähnliche Regelungen: Die Bezeichnung „Milch“ ist ausschließlich tierischen Produkten vorbehalten. Demnach darf ein Getränk auf Basis von Hafer nicht „Hafermilch“ genannt werden, sondern muss etwa als „Haferdrink“ bezeichnet werden.
Kennzeichnung pflanzlicher Alternativen
ProVeg setzt sich für eine informative und sinnvolle Benennung vegetarischer und veganer Lebensmittel ein und erklärt, wie die Kennzeichnung von Milch- und Fleischalternativen derzeit geregelt ist.
Neue Abstimmung Mitte Juni 2022 erwartet
Aufgrund der umständlichen Bezeichnungen hagelt es regelmäßig Kritik. Zuletzt stimmte das Plenum der DLMBK Mitte Juni 2022 über die Leitsatzempfehlung ab, eine Mehrheit wurde nicht erreicht. Die Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs sind daher weiterhin gültig. 3Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Sachstandsbericht: Temporärer Fachausschuss für “vegane und vegetarische Lebensmittel”. Online unter: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/deutsche-lebensmittelbuch-kommission/fachausschuss-veg-lebensmittel-sachstandsbericht.html [07.06.2022]
Hersteller pflanzlicher Alternativen werden verklagt
Regelmäßig müssen Firmen pflanzlicher Alternativen die Konsequenzen dieser undurchsichtigen Regelungen tragen. Ein Beispiel ist der Fall des Unternehmens Happy Cheeze, das infolge eines Rechtsstreits seinen Namen ändern musste. Heute ist der Hersteller pflanzlicher Käsealternativen unter dem Namen Dr. Mannah’s bekannt.4Dr. Mannah’s: Happy Cheeze heisst jetzt Dr. Mannah’s. Online unter: https://drmannahs.com/pages/dr-mannahs-team [07.06.2022]
Zuletzt traf es den Milchalternativen-Hersteller The Hempany. Zuvor hatte das Start-up seine Hanfmilch unter dem Namen Milck® vermarktet (eine Zusammensetzung aus Milch und dem englischen Milk). Doch da nur tierische Produkte Milch heißen dürfen, wurde auch dieses Unternehmen verklagt.5LG Stuttgart, Urt. v. 10.02.2022, Az. 11 O 501/21 (nicht rechtskräftig) [07.06.2022] 6LTO (2022): “Milckprodukte” sind wettbewerbswidrig. Online unter: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-stuttgart-11o501-21-milck-wettbewerbswidrig-bezeichnungsschutz-milch/ [07.06.2022]
„Wir sind keine Milch“
Beanstandet wurde, dass der Begriff „Milck“ zu leicht mit Milch zu verwechseln sei und daher die Verbraucher:innen irreführen würde. Der Hersteller entgegnet: „Wir sind keine Milch, kein Milchersatz und wollen das auch nicht sein.“.7drink.hemi (2022): Online unter: https://www.instagram.com/p/CZhkuBKMZdg/ [07.06.2022] Dennoch hat das Unternehmen den Rechtsstreit in erster Instanz Anfang des Jahres verloren und wurde angewiesen, es zu unterlassen, seine Milchersatzprodukte als „Milckprodukte“, „hemp milck“ oder „Pflanzenmilck“ zu bewerben. Doch es gibt einen Lichtblick: The Hempany ist in Berufung gegangen und kämpft damit für eine branchenweite Veränderung. 8The Hempany (2022): Wir gehen in Berufung! Online unter: https://www.hemi-milck.de/ [07.06.2022]
Auch ProVeg fordert: Es braucht endlich eine einfache Kennzeichnung für pflanzliche Alternativprodukte. Diese muss für die Verbraucher:innen leicht verständlich sein und die Verwendung des Produkts deutlich machen.
Quellen[+]
↑1 | Institut für Handelsforschung Köln (2022): Kennzeichnung von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten. Eine bevölkerungsrepräsentative Befragung von Verbraucher:innen. Online unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/2022-04/220307_IFH%20K%C3%96LN_Verbraucherzentrale_Kennzeichnung%20von%20Ersatzprodukten_final.pdf [07.06.2022] |
---|---|
↑2 | Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (2018): Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Online unter: https://www.deutsche-lebensmittelbuch-kommission.de/fileadmin/Dokumente/neufassung_leitsaetze_fuer_vegane_und_vegetarische_lebensmittel.pdf [07.06.2022] |
↑3 | Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Sachstandsbericht: Temporärer Fachausschuss für “vegane und vegetarische Lebensmittel”. Online unter: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/deutsche-lebensmittelbuch-kommission/fachausschuss-veg-lebensmittel-sachstandsbericht.html [07.06.2022] |
↑4 | Dr. Mannah’s: Happy Cheeze heisst jetzt Dr. Mannah’s. Online unter: https://drmannahs.com/pages/dr-mannahs-team [07.06.2022] |
↑5 | LG Stuttgart, Urt. v. 10.02.2022, Az. 11 O 501/21 (nicht rechtskräftig) [07.06.2022] |
↑6 | LTO (2022): “Milckprodukte” sind wettbewerbswidrig. Online unter: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-stuttgart-11o501-21-milck-wettbewerbswidrig-bezeichnungsschutz-milch/ [07.06.2022] |
↑7 | drink.hemi (2022): Online unter: https://www.instagram.com/p/CZhkuBKMZdg/ [07.06.2022] |
↑8 | The Hempany (2022): Wir gehen in Berufung! Online unter: https://www.hemi-milck.de/ [07.06.2022] |
Über die Autorin