Corporate Engagement
Coronavirus: Chancen für Unternehmen in Zeiten einer Pandemie
Kathleen Gerstenberg 17. April 2020
Auch wenn die globale Wirtschaft aufgrund der aktuellen Einschränkungen durch COVID-19 einen herben Schlag erleidet: Der Entwicklung alternativer Proteine könnte die derzeitige Lage einen Schub versetzen. Es ist jetzt wichtiger denn je, innovative und nachhaltige Lösungen voranzutreiben, um die Ernährung der Weltbevölkerung langfristig zu sichern. Die Coronavirus-Situation bietet starke Anreize, das eigene Geschäftsmodell zu überdenken und verstärkt auf pflanzliche Produkte zu setzen.
Ernährung langfristig sichern
Unternehmen kämpfen mit den Folgen der Einschränkungen, die zum Schutz vor der Verbreitung des Coronavirus getroffen wurden, während sich die Menschen mit vielen Unsicherheiten konfrontiert sehen. Niemand kann sicher vorhersagen, wie Reisebeschränkungen, Ausgangssperren und Belastungen des Gesundheitssystems die weltweite Wirtschaft beeinflussen werden. Eine naheliegende Vermutung ist jedoch, dass die Nachfrage nach sicheren und gesunden Lebensmitteln als Folge der Krise steigen wird. Pflanzliche Produkte sind ihren tierischen Pendants hier oftmals voraus, unter anderem weil sie weniger leicht verderblich sind und die Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten unterstützen können. So hat beispielsweise JUST Egg, ein Start-up für pflanzliche Ei-Alternativen, eine steigende Nachfrage von größeren Lebensmittelproduzenten aus China verzeichnet.1Bloomberg Green (03.03.2020): Virus Spurs Chinese Interest in Vegan Eggs as Protein Source, online unter https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-03-03/virus-spurs-chinese-interest-in-vegan-eggs-as-protein-source [03.04.2020]
Pflanzliche Menü-Optionen als Alleinstellungsmerkmal für den Außer-Haus-Markt
Unternehmen des Außer-Haus-Markts treffen die aktuellen COVID-19-Regulierungen besonders hart. In vielen Ländern dürfen Restaurants und Cafés nicht öffnen, geschlossene Schulen und Betriebskantinen bringen Caterer in Bedrängnis. Nur wer in der Lage ist, das eigene Geschäftsmodell auf kontaktfreien Lieferservice umzustellen, kann sich vorübergehend noch über Wasser halten.2Foodnavigator (19.03.2020): Online food delivery ‘one of the only winners’ in coronavirus outbreak, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2020/03/19/Online-food-delivery-one-of-the-only-winners-in-coronavirus-outbreak [08.04.2020]
Die aktuelle Situation ist beängstigend für kleine und große Unternehmen. Vielleicht ist aber der plötzliche Stopp des Tagesgeschäfts auch eine Gelegenheit, einen Schritt zurückzutreten und das eigene Geschäftsmodell mit Abstand zu betrachten: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Die mittel- und langfristigen Folgen der aktuellen Einschränkungen sind unvorhersehbar – umso wichtiger also, sich über das unternehmerische Alleinstellungsmerkmal Gedanken zu machen: Wenn die Einschränkungen durch COVID-19 gelockert werden, warum sollten die Gäste genau mein Restaurant aufsuchen?
'Die Gastronomie muss aufwachen'
Pflanzliche Menüs sind attraktiv für Restaurants und Hotels. Im Interview erklärt Gastronom Jerome Pagnier, warum.
„Der Außer-Haus-Markt ist gezeichnet von Unternehmen, die im Prinzip alle dasselbe machen“, sagt Jerome Pagnier, ehemaliger Leiter Food & Beverage im Grand Hyatt Singapur. „Die Einführung von Food-Tech-Produkten, besonders von pflanzlichen Alternativen, holt Unternehmen aus dem Meer der Gleichförmigkeit heraus, macht sie automatisch zum Vorausdenkenden, zum Pionier, zum Visionär. Meiner Erfahrung nach sind pflanzliche Produkte extrem nützlich für Marketing, Alleinstellung und damit schlussendlich für Rentabilität.“
Es ist längst überfällig, dass pflanzliche Gerichte von der vernachlässigten letzten Seite der Speisekarte in den Mittelpunkt gerückt werden. Ob Schwarze-Bohnen-Tempeh-Burger, Süßkartoffel-Kichererbsen-Curry oder Aquafaba-Schoko-Mousse – jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um in der Küche kreativ zu werden, Farbe in das Menü zu bringen und traditionelle Essenskonzepte hinter sich zu lassen.
Anfällige Lieferketten
Der Produktionsweg tierischer Produkte ist äußerst lang und störanfällig. Vom Futtermittelimport über Aufzucht und Tiertransport bis hin zur leichten Verderblichkeit der Produkte – die Wertschöpfungskette ist global vernetzt und jeder dieser Schritte anfällig für Unterbrechungen. Die Ausbreitung der 2018 erstmals aufgetretenen afrikanischen Schweinepest führte in China dazu, dass Millionen von Schweinen getötet wurden, was unter anderem eine deutliche Erhöhung der Schweinefleischpreise auf dem Weltmarkt zur Folge hatte. 3 Food and Agriculture Organisation of the United Nations (05.03.2020): ASF situation in Asia update, online unter http://www.fao.org/ag/againfo/programmes/en/empres/ASF/situation_update.html [30.03.2020] 4Financial Times (15.10.2019): African swine fever drives up European pork prices, online unter https://www.ft.com/content/5d6a2c8a-eab5-11e9-85f4-d00e5018f061 [31.03.2020] Die im Rahmen der Corona-Krise auferlegten Einfuhrbeschränkungen für Futtermittel führten zur Vernichtung von mindestens 100 Millionen Küken in China, während geschlossene Grenzen in Europa die Verzögerung von Schlachttransporten verursachten. 5Financial Times (Feb 2020): Coronavirus fears force China into mass chicken cull, online unter https://www.ft.com/content/4bdf0a4e-4e1f-11ea-95a0-43d18ec715f5 [27.03.2020] 6The Guardian (23.03.2020): Cattle gridlock: EU border delays add to coronavirus strain on meat trade, online unter https://www.theguardian.com/environment/2020/mar/23/meat-prices-could-rise-as-covid-19-adds-pressure-to-vulnerable-supply-chain-coronavirus [27.03.2020] Diese Entwicklungen sind nicht nur ein Desaster für die betroffenen Landwirtinnen und Landwirte. Solche extrem vernetzten und zugleich empfindlichen Produktionsketten sind eine Bedrohung für die globale Ernährungssicherheit.
Vorausdenkende gesucht – jetzt erst recht!
Wenn sich plötzlich Regierungen, Unternehmen, Investoren sowie Verbrauchende nach Alternativen umschauen, sind es vor allem Start-ups mit pflanzlichen Produkten, die von den aktuellen Entwicklungen profitieren können. Zwar haben die jungen Unternehmen nicht unbedingt die solidesten finanziellen Rücklagen, aber sie sind meist nicht von multinationalen Lieferketten abhängig und zudem diejenigen, die richtungsweisende Lösungsansätze in der Tasche haben. „Plötzlich klopften bei uns Großkunden an der Tür“, berichtet Veronica Fil von Grounded Foods. 7Vegconomist (16.03.2020):Food Startups in the Climate of Coronavirus: Could Some Businesses be Immune? https://vegconomist.com/society/food-startups-in-the-climate-of-coronavirus-could-some-businesses-be-immune/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=most-read-21-03-2020 [08.04.2020] „Supermarktketten, Franchise-Restaurants und Lieferservices kontaktierten uns aus heiterem Himmel. Sie wollten Produktproben, Datenblätter und platzierten auch direkt erste Bestellungen. Gleichzeitig bekamen wir Meeting-Anfragen von Venture-Capital-Investoren aus der ganzen Welt, vor allem der Asia-Pazifik-Region, die mehr über unsere pflanzlichen Käsealternativen erfahren wollten.“
Prolupin, ein Hersteller von Alternativen zu Milchprodukten auf Lupinenbasis, sicherte sich kürzlich eine Finanzierung in zweistelliger Millionenhöhe, ebenso das Start-up BlueNalu, das an kultivierten Fischprodukten arbeitet.8 Vegconomist (18.03.2020): Dairy Alternative Producer Prolupin Closes “Double-Digit Million” Funding Round, online unter https://vegconomist.com/companies-and-portraits/dairy-alternative-producer-prolupin-closes-double-digit-million-funding-round/ [27.03.2020] 9BlueNalu (26.02.2020): BlueNalu Secures $20 Million in Series A Financing, online unter https://www.bluenalu.com/bluenalu-secures-20-million-in-series-a-financing [27.03.2020] Die aktuellen Entwicklungen bewegen vor allem Regierungen und Investoren dazu, zu überlegen, wo Geld langfristig sinnvoll und nachhaltig angelegt werden sollte.
ProVeg-Incubator startet in die dritte Runde
Von Cashew-Käse bis Algen-Snacks – 10 Start-ups wollen mithilfe des ProVeg-Incubators innovative Produkte auf den Markt bringen und damit die globale Ernährungskultur verändern.
Wonach Verbrauchende Ausschau halten
In Zeiten globaler Krisen werden sich Menschen ihrer eigenen Gesundheit verstärkt bewusst. Tastewise, ein von künstlicher Intelligenz unterstütztes Datenanalyse-Start-up, verzeichnete ein enormes Wachstum bei Suchanfragen für Lebensmittel mit gesundheitlichen Vorteilen.10Food Navigator (18.03.2020): Coronavirus sparks ‘staggering growth’ in online searches for foods with functional benefits: report, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2020/03/18/Coronavirus-sparks-staggering-growth-in-online-searches-for-foods-with-functional-benefits-report [27.03.2020] Dieser Gesundheitsfokus wird sich weiter verstärken und befeuert damit einen bekannten Trend: Produkte, die mit wenig Salz, ohne Zusatzstoffe („Clean Label“) und nachhaltigen Rohstoffen aufwarten können, werden sich künftig wachsender Beliebtheit erfreuen.11Food Navigator (10.03.2020): The salty truth about out-of-home meals risks plant-based consumer backlash, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2020/03/10/The-salty-truth-about-out-of-home-meals-risks-plant-based-consumer-backlash?utm_source=newsletter_daily&utm_medium=email&utm_campaign=10-Mar-2020 [30.03.2020] 12 Food Navigator (16.10.2019): Consumers ‘want more from their clean label products than ever before’: BENEO, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2019/10/16/Consumers-want-more-from-their-clean-label-products-than-ever-before-BENEO [30.03.2020] „Verbraucher werden diejenigen Unternehmen belohnen, die die Sache in die Hand nehmen und soziale Probleme angehen“, schreibt der „Food & Drink Trends 2030“-Report des Marktforschungsinstituts Mintel. „Die Unternehmen, die sich in den nächsten 10 Jahren durchsetzen werden, sind diejenigen, die eine neue Ära bewussten Konsums vorantreiben.“13Mintel (10.12.2019): Global Food and Drink Trends 2030, S.14, online unter https://www.mintel.com/global-food-and-drink-trends [27.03.2020]
Nachhaltigkeit fördern durch Nudging
Entscheidungen, die wir beim Einkauf treffen, werden oft subtil von unserer Umwelt beeinflusst. Geschäfte und Restaurants können sich das zunutze machen.
Die Welt verändert sich
Es sind die Krisenzeiten, in denen wir die einmalige Chance haben, uns darüber klar zu werden, in welche Richtung wir künftig nicht nur unsere Unternehmen, sondern vor allem auch unsere Gesellschaft lenken möchten. Oder um es mit den Worten von Veronica Fil zu sagen: „Lasst euch von einer turbulenten Wirtschaft nicht abschrecken. Jetzt ist der Moment, in dem wir euch am dringendsten benötigen.“14Vegconomist (16.03.2020):Food Startups in the Climate of Coronavirus: Could Some Businesses be Immune? Online unter https://vegconomist.com/society/food-startups-in-the-climate-of-coronavirus-could-some-businesses-be-immune/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=most-read-21-03-2020 [08.04.2020]
Quellen[+]
↑1 | Bloomberg Green (03.03.2020): Virus Spurs Chinese Interest in Vegan Eggs as Protein Source, online unter https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-03-03/virus-spurs-chinese-interest-in-vegan-eggs-as-protein-source [03.04.2020] |
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↑2 | Foodnavigator (19.03.2020): Online food delivery ‘one of the only winners’ in coronavirus outbreak, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2020/03/19/Online-food-delivery-one-of-the-only-winners-in-coronavirus-outbreak [08.04.2020] |
↑3 | Food and Agriculture Organisation of the United Nations (05.03.2020): ASF situation in Asia update, online unter http://www.fao.org/ag/againfo/programmes/en/empres/ASF/situation_update.html [30.03.2020] |
↑4 | Financial Times (15.10.2019): African swine fever drives up European pork prices, online unter https://www.ft.com/content/5d6a2c8a-eab5-11e9-85f4-d00e5018f061 [31.03.2020] |
↑5 | Financial Times (Feb 2020): Coronavirus fears force China into mass chicken cull, online unter https://www.ft.com/content/4bdf0a4e-4e1f-11ea-95a0-43d18ec715f5 [27.03.2020] |
↑6 | The Guardian (23.03.2020): Cattle gridlock: EU border delays add to coronavirus strain on meat trade, online unter https://www.theguardian.com/environment/2020/mar/23/meat-prices-could-rise-as-covid-19-adds-pressure-to-vulnerable-supply-chain-coronavirus [27.03.2020] |
↑7 | Vegconomist (16.03.2020):Food Startups in the Climate of Coronavirus: Could Some Businesses be Immune? https://vegconomist.com/society/food-startups-in-the-climate-of-coronavirus-could-some-businesses-be-immune/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=most-read-21-03-2020 [08.04.2020] |
↑8 | Vegconomist (18.03.2020): Dairy Alternative Producer Prolupin Closes “Double-Digit Million” Funding Round, online unter https://vegconomist.com/companies-and-portraits/dairy-alternative-producer-prolupin-closes-double-digit-million-funding-round/ [27.03.2020] |
↑9 | BlueNalu (26.02.2020): BlueNalu Secures $20 Million in Series A Financing, online unter https://www.bluenalu.com/bluenalu-secures-20-million-in-series-a-financing [27.03.2020] |
↑10 | Food Navigator (18.03.2020): Coronavirus sparks ‘staggering growth’ in online searches for foods with functional benefits: report, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2020/03/18/Coronavirus-sparks-staggering-growth-in-online-searches-for-foods-with-functional-benefits-report [27.03.2020] |
↑11 | Food Navigator (10.03.2020): The salty truth about out-of-home meals risks plant-based consumer backlash, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2020/03/10/The-salty-truth-about-out-of-home-meals-risks-plant-based-consumer-backlash?utm_source=newsletter_daily&utm_medium=email&utm_campaign=10-Mar-2020 [30.03.2020] |
↑12 | Food Navigator (16.10.2019): Consumers ‘want more from their clean label products than ever before’: BENEO, online unter https://www.foodnavigator.com/Article/2019/10/16/Consumers-want-more-from-their-clean-label-products-than-ever-before-BENEO [30.03.2020] |
↑13 | Mintel (10.12.2019): Global Food and Drink Trends 2030, S.14, online unter https://www.mintel.com/global-food-and-drink-trends [27.03.2020] |
↑14 | Vegconomist (16.03.2020):Food Startups in the Climate of Coronavirus: Could Some Businesses be Immune? Online unter https://vegconomist.com/society/food-startups-in-the-climate-of-coronavirus-could-some-businesses-be-immune/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=most-read-21-03-2020 [08.04.2020] |
Über die Autorin
Kathleen Gerstenberg
Content-Managerin
Unsere Autorin interessiert sich für gesunde Ernährung. Seit 2018 ist sie bei ProVeg, liebt Wortneuschöpfungen und jongliert als Content-Managerin mit Sprache, um noch mehr Menschen für eine pflanzliche Lebensweise zu begeistern.