Politik
Deutsche Tierhaltung jetzt umbauen
Clara Hagedorn 15. April 2021
Wie kann der notwendige Umbau der deutschen Tierhaltung finanziert werden? Die Bundesregierung diskutiert zusätzliche Abgaben für Verbraucherinnen und Verbraucher, während ProVeg und andere Organisationen fordern, bestehende Subventionen für die Massentierhaltung abzubauen.
Kommt die Tierwohlabgabe? Mehr Tierwohl würde bis zu 4 Milliarden jährlich kosten
Die deutsche Tierindustrie steht nicht erst seit der COVID-19-Pandemie zunehmend in der Kritik. Neben den Auswirkungen auf Tierwohl, Klima und Umwelt wurden auch die prekären Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie beleuchtet. Selbst für die Bundesregierung scheint endlich deutlich geworden zu sein: ein Umbau der Tierhaltung ist nötig.
Eine im März 2021 veröffentlichte Machbarkeitsstudie1BMEL (2021): Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zu Vorschlägen der Borchert-Kommission liegen vor. Online unter: https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/nutztiere/umbau-nutztierhaltung.html [14.04.2021] des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schätzt die Kosten für einen Umbau der Tierhaltung auf 3–4 Milliarden Euro im Jahr. Finanziert werden könnte dieser Umbau durch eine Erhöhung der Preise für tierische Produkte – in Form einer Mehrwertsteuererhöhung, einer Verbrauchsteuer oder einer „Ergänzungsabgabe Tierwohl“.2BMEL (2021): Tabellarische Übersicht der Finanzierungsoptionen zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/machbarkeitsstudie-borchert-tabelle.html [14.04.2021]
Auch Veganerinnen und Veganer sollen Stallumbauten mitfinanzieren
Obwohl alle oben genannten Optionen als grundsätzlich durchführbar bewertet werden, führt die komplizierte Rechtslage möglicherweise dazu, dass die reduzierte Mehrwertsteuer aller Lebensmittel gleichermaßen erhöht wird. Obst, Gemüse und Getreideprodukte würden also ebenfalls teurer werden. Das würde bedeuten, dass auch Menschen, die keine tierischen Produkte konsumieren, den Umbau der Tierhaltung mitfinanzieren müssten. Und das, obwohl der vom BMEL angestrebte Umbau nur mit marginalen Verbesserungen für das Tierwohl einhergehen würde. Gefördert werden soll nämlich eine langsame Umstellung der Nutztierhaltung in höhere Stufen der staatlichen Tierwohlkennzeichnung, von denen jedoch selbst die höchste Stufe kein Tierwohl garantieren kann.
Bundesregierung fördert die deutsche Tierindustrie mit Milliarden
Fast zeitgleich zur Machbarkeitsstudie über den Umbau der Tierhaltung veröffentlichte das Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ eine Studie über Fördermaßnahmen für die Tierhaltung.3Gemeinsam gegen die Tierindustrie (2021): Milliarden für die Tierindustrie – Wie der Staat öffentliche Gelder in eine zerstörerische Branche leitet. Online unter: https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org/studie-milliarden-tierindustrie/ [14.04.2021] Der Studie zufolge wird die deutsche Tierindustrie jährlich mit mindestens 13,2 Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern subventioniert. Darunter fallen beispielsweise Subventionen für Stall- und Futteranbau, Beratungsleistungen für Tierhalterinnen und Tierhalter sowie die reduzierte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte.
Es wird deutlich: Der Umgang der Bundesregierung mit der Tierindustrie ist immer noch fehlgeleitet. Die Ambitionen für mehr Tierwohl sind nicht ausreichend und vermissen ein Bekenntnis zum dringend notwendigen Abbau der Tierbestände sowie einer Reduktion des Fleischkonsums. Subventionen für die Tierindustrie müssen ebenfalls abgebaut werden. So können auch finanzielle Mittel für einen Umbau der Tierhaltung bereitgestellt werden.
Wahlprogramme müssen den Umbau der deutschen Tierhaltung aufgreifen
In Anbetracht der Bundestagswahl im September 2021 ist es unwahrscheinlich, dass die Bundesregierung dieses Jahr noch weitreichende Entscheidungen für den Umbau der Tierhaltung fällt. Immer noch nimmt sie die Tragweite der Konsequenzen der Tierindustrie für Menschen, Umwelt und Tiere nicht ernst genug. ProVeg setzt sich dafür ein, dass sich ambitionierte Forderungen für einen Abbau der Tierbestände und eine Reduzierung des Konsums tierischer Produkte in den Wahlprogrammen der Parteien wiederfinden. Um die Wahl veggie-freundlicher Parteien zu erleichtern, veröffentlichen wir rechtzeitig vor der Bundestagswahl Wahlprüfsteine.
Quellen[+]
↑1 | BMEL (2021): Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zu Vorschlägen der Borchert-Kommission liegen vor. Online unter: https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/nutztiere/umbau-nutztierhaltung.html [14.04.2021] |
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↑2 | BMEL (2021): Tabellarische Übersicht der Finanzierungsoptionen zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/machbarkeitsstudie-borchert-tabelle.html [14.04.2021] |
↑3 | Gemeinsam gegen die Tierindustrie (2021): Milliarden für die Tierindustrie – Wie der Staat öffentliche Gelder in eine zerstörerische Branche leitet. Online unter: https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org/studie-milliarden-tierindustrie/ [14.04.2021] |
Über die Autorin
Clara Hagedorn
Referentin Politik