Politik
Landwirtschafts- und Ernährungswende jetzt einleiten!
Clara Hagedorn 27. April 2020
Die Bundesregierung will die Zukunft der Landwirtschaft und Intensivtierhaltung diskutieren. Das „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“, die sogenannte Borchert-Kommission, hat seine Empfehlungen bereits vorgelegt. Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ soll voraussichtlich im August 2020 tagen. Die deutsche Agrarpolitik braucht dringend wegweisende Entscheidungen hin zu einer Abstockung der Tierbestände.
Kurswechsel ist lange überfällig
Um zukunftsfähig zu werden, benötigt die deutsche Landwirtschaft klare Fortschritte in Tier-, Klima-, Umwelt-, Gesundheits- und Ressourcenschutz. Deutlich wird dies nicht nur in der zu hohen Nitratbelastung1Schulz, F. (2020): Studie zeigt erstmals Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Nitratbelastung. Euractiv vom 27.02.2020. Online unter: https://www.euractiv.de/section/landwirtschaft-und-ernahrung/news/studie-zeigt-erstmals-zusammenhang-zwischen-landwirtschaft-und-nitratbelastung/?utm_source=EURACTIV&utm_campaign=7666023312-RSS_EMAIL_DE_Landwirtschaft&utm_medium=email&utm_term=0_c59e2fd7a9-7666023312-116243743 [27.04.2020] durch die Tiermast und die unzureichenden Maßnahmen für den Sektor Landwirtschaft im Klimapaket der Bundesregierung, sondern auch im ungesund hohen Fleischkonsum der Bevölkerung. Daher sind eine deutliche Reduktion der Tierbestände und des Konsums tierischer Produkte zwingend nötig.
Borchert-Kommission empfiehlt eine Verbrauchssteuer auf Fleisch
Die Borchert-Kommission sollte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hinsichtlich der Zukunft der deutschen Nutztierhaltung beratend unterstützen und setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft, Praxis und Umweltverbänden zusammen. Bereits im Februar 2020 legte die Kommission ihr Empfehlungsschreiben2 BMEL (2020): Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/200211-empfehlung-kompetenznetzwerk-nutztierhaltung.html [27.04.2020] vor.
Als Kernherausforderungen werden Überdüngung, Tierschutzverfehlungen und die Nachteile einer tierischen Ernährung im Bezug auf Ressourcen- und Klimaschutz benannt. Die darauf aufbauenden Handlungsempfehlungen umfassen allerdings ausschließlich Maßnahmen zur geringfügigen Verbesserung des Tierwohls, die durch eine mengenbezogene Verbrauchssteuer auf Fleisch finanziert werden sollen. Empfehlungen zu einer Umstellung auf eine stärker pflanzenbasierte Ernährung bleiben außen vor, hätten aber klar benannt werden sollen.
Das Schreiben stieß zunächst auf Zustimmung in Politik und Zivilgesellschaft, da zwischen verschiedenen Akteuren ein bemerkenswerter Konsens erzielt werden konnte.3Lehmann, N. (2020): Breite Zustimmung zum Borchert-Plan für die Tierhaltung. Agrarheute vom 12.02.2020. Online unter: https://www.agrarheute.com/politik/breite-zustimmung-borchert-plan-fuer-tierhaltung-564893 [27.04.2020] Tierschutzverbände äußerten jedoch deutliche Kritik4Deutscher Tierschutzbund e.V. (2020): Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung. Deutscher Tierschutzbund vom 11.02.2020. Online unter: https://www.tierschutzbund.de/news-storage/landwirtschaft/110220-kommentar-zu-den-empfehlungen-des-kompetenznetzwerks-nutztierhaltung [11.05.2020] an der Einbindung des Tierwohllabels der Bundesregierung, da dieses bislang lediglich zur freiwilligen Nutzung geplant ist, wegen dem langen Zeitraum des Umbaus von 20 Jahren sowie den angestrebten wenig ambitionierten Tierschutzstandards. Jetzt ist es wichtig, dass die Vorschläge detailliert und kritisch diskutiert und zügig richtungsweisende Entscheidungen hin zu einem Abbau der Tierbestände getroffen werden.
Umweltverbände fordern massive Abstockung von Tierbeständen
Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ wird sich mit Themen rund um Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, Umwelt, Klimaschutz, Tierhaltung und Zukunft der Agrarpolitik befassen.
Umwelt- und Verbraucherverbände kritisieren das bisherige Vorgehen zur Gründung der Zukunftskommission. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner das Konzept des Deutschen Bauernverbands (DBV) und der Initiative „Land schafft Verbindung“ (LsV) entgegennahmen, wurde ein Termin mit Umweltverbänden am selben Tag abgesagt.5Garbert, J. & Awater-Esper, S. (2020): Warten auf den Dialog zur Zukunftskommission. Topagrar Online vom 09.04.2020. Online unter: https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/warten-auf-den-dialog-zur-zukunftskommission-12029253.html [27.04.2020]
Als Teil des Deutschen Naturschutzrings (DNR) hat ProVeg gemeinsam mit anderen Umweltverbänden Erwartungen an die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ formuliert. Als dringendes inhaltliches Ziel wird ein verpflichtender Umbau der Intensivtierhaltung bis 2040 gefordert. Dieser soll unter anderem eine massive Abstockung von Tierbeständen und eine flächengebundene Tierhaltung vorsehen.6DNR (2020): Erwartungen an die Zukunftskommission Landwirtschaft. Online unter: https://www.dnr.de/positionen/2020/zukunftskommission-lawi/ [27.04.2020]
Jetzt liegt es an der Bundesregierung, einen langfristigen Plan mit wirkungsvollen Maßnahmen und verbindlichen Zielen zu entwickeln und umzusetzen, um die Ernährungs- und Landwirtschaftswende einzuleiten.
Quellen[+]
Über die Autorin
Clara Hagedorn
Referentin Politik