COVID-19
Pflanzliche Ernährung und Pandemien
Jens Tuider 17. April 2020
Die Welt, wie wir sie kennen, ist zum Stillstand gekommen. Die Ursache ist ein Virus (SARS-CoV-2), das sich höchstwahrscheinlich vom Tier auf den Menschen übertragen und rasch auf der ganzen Welt ausgebreitet hat. Die dramatischen globalen Auswirkungen werden anhand der steigenden Zahlen der Todesopfer und Erkrankten deutlich, die die Gesundheitssysteme vieler Staaten an ihre Grenzen bringen. Das öffentliche Leben, Dienstleistungen, Produktion und Handel sowie Reisen ins In- und Ausland wurden stark eingeschränkt. Weiterhin sind schwerwiegende und langfristige Folgen wie massive Arbeitsplatzverluste, Geschäftsaufgaben und eine globale Rezession absehbar, die allesamt über viele Jahre tiefgreifende Auswirkungen haben werden. Eine pflanzliche Ernährung hat das Potenzial, die Häufigkeit zukünftiger Pandemien zu verringern.
Wie der Verzehr von Tieren das Risiko von Pandemien erhöht
Ein einziger Kontakt zwischen einem Menschen und einem infizierten Tier kann zur Entstehung einer neuartigen übertragbaren Krankheit beitragen. Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, werden auch als Zoonosen bezeichnet, wie Ebola, das Zika-Virus, SARS (2003) oder MERS (2012). Diese haben das Potenzial, sich in kürzester Zeit von einer Epidemie zu einer Pandemie zu entwickeln. Letztlich können Krankheiten wie COVID-19, ausgelöst durch das Virus SARS-CoV-2, zu einem globalen Ausnahmezustand führen. Das heißt zum einen, dass unser Tierkonsum erhebliche Risiken birgt. Zum anderen bedeutet es, dass der Lösungsweg von ProVeg, die globale Ernährungswende, zeitgemäß, nachhaltig und hochgradig relevant ist, da hiermit auf eine der Hauptursachen der gegenwärtigen Krise eingegangen wird.
Die meisten der in den letzten Jahrzehnten aufgetretenen menschlichen Infektionskrankheiten wurden ursprünglich von Tieren übertragen.1Belay, E. D., Kile, J. C., Hall, A. J.,et al. (2017): Zoonotic Disease Programs for Enhancing Global Health Security. Emerging Infectious Diseases, 23(13). DOI: https://dx.doi.org/10.3201/eid2313.170544. 2FAO: Protecting people and animals from disease threats. Online unter http://www.fao.org/emergencies/crisis/diseases/en/ [18.03.2020] 3Smith, K. F., M. Goldberg, S. Rosenthal, L. Carlson, J. Chen, C. Chen, S. Ramachandran (2014): Global rise in human infectious disease outbreaks. Journal of The Royal Society Interface. 11(101): DOI: https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsif.2014.0950 4CDC (2017): Zoonotic Diseases. Online unter: https://www.cdc.gov/onehealth/basics/zoonotic-diseases.html [16.04.2020] Dazu gehören einige Formen der Grippe wie die Schweinegrippe, die von Schweinen ausging (der bekannteste Subtyp ist H1N1, der 1918 die sogenannte Spanische Grippe und die Schweinegrippe-Epidemie von 2009 verursachte). Ein weiteres Beispiel ist die Vogelgrippe, die normalerweise bei wildlebenden Wasservögeln auftritt, allerdings auch auf domestizierte Vögel (wie Hühner) sowie andere Vogel- und Tierarten übertragen werden kann.5WHO (2018): Influenza (Avian and other zoonotic). Online unter https://www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/influenza-(avian-and-other-zoonotic) [07.04.2020] Solange wir weiterhin Tiere essen, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit von Pandemien, die eine große Bedrohung für die menschliche Gesundheit und das gesellschaftliche Zusammenleben darstellen.
Eine Umstellung auf pflanzliche Ernährung kann dazu beitragen, das Risiko künftiger Pandemien zu verringern
Pflanzliche Nahrungsmittel verringern unsere Abhängigkeit von Tieren als Proteinquelle. Die Transformation des globalen Ernährungssystems – weg von tierischen Produkten und hin zu pflanzlichen und zellkultivierten Alternativen – stellt eine Lösung für viele der Faktoren dar, die zur Zunahme von Zoonosen beitragen können. Eine geringere Abhängigkeit von Tieren als Nahrungsmittel kann natürliche Lebensräume und die biologische Vielfalt schützen, sodass die Wahrscheinlichkeit für die Übertragung neuartiger zoonotischer Infektionskrankheiten verringert werden kann.
„Es ist wichtig, dass wir global zu einer stärker pflanzlichen Ernährung übergehen, um die Risiken künftiger Pandemien zu minimieren.“
Sebastian Joy, CEO ProVeg International
Eine pflanzliche Ernährung kann eine Infektion mit dem Coronavirus nicht direkt verhindern. Allerdings kann eine Konsumreduzierung tierischer Produkte dazu beitragen, das Risiko zu senken, einige der Zivilisationskrankheiten, auch Vorerkrankungen genannt, zu entwickeln, die während einer Pandemie ein zusätzliches Risiko für schwere Verläufe darstellen können. Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung kann dabei helfen, einer Vielzahl der heutigen Zivilisationskrankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes, vorzubeugen.
In der globalen Nutztierhaltung werden etwa 70 % aller Antibiotika verwendet.6Van Boeckel, T. P., J. Pires, R. Silvester, C. Zhao, J. Song, N.G. Criscuolo, M. Gilbert, S. Bonhoeffer, R. Laxminarayan(2019) Global trends in antimicrobial resistance in animals in low- and middle-income countries. Science, 365 Daher kann ein Zuwachs an Menschen, die sich pflanzlicher ernähren, auch die Zahl der sogenannten Nutztiere und damit den Einsatz von Antibiotika sowie das hiermit verbundene Risiko der Entstehung multiresistenter Erreger verringern. Dies stellt nicht nur eine Bedrohung für die globale Gesundheit an sich dar, sondern kann auch die Auswirkungen einer Pandemie verschärfen.
Sowohl sogenannte Nutztiere als auch Wildtiere sind potenzielle Wirte für eine Vielzahl gefährlicher Viren, die von Tieren auf Menschen überspringen können. In der Tat gibt es, wie oben erwähnt, bereits zahlreiche Beispiele von Zoonosen, die von sogenannten Nutztieren ausgehen.7Wolfe, N.D., C.P. Dunavan & J. Diamond (2012): Origins of major human infectious diseases. In Choffnes E.R., Institute of Medicine (U.S.) (eds): Improving food safety through a one health approach: workshop summary. Washington D.C: National Academies Press 8Kingsley, D. H. (2016): Emerging Foodborne and Agriculture-Related Viruses. Microbiol Spectr. 4(4) Zudem verschärft der intensive Einsatz von Antibiotika und anderen Medikamenten in der Massentierhaltung auch die Entstehung von multiresistenten Bakterien und Viren.
Das Verbot von Wildtiermärkten kann eine wichtige Maßnahme zur Minimierung der Ausbreitung von Zoonosen sein, da die Lagerung, Schlachtung und Verarbeitung vieler verschiedener Tierarten auf engstem Raum einen perfekten Nährboden für Zoonosen bieten. Als einzelne Maßnahme ist das Verbot jedoch unzureichend, denn vor allem auch andere Faktoren wie die Zerstörung natürlicher Lebensräume, der Verlust der Artenvielfalt, Klimawandel und die (Massen-)Tierhaltung müssen berücksichtigt werden, da sie ebenfalls das Risiko einer Pandemie erhöhen. Ferner werden viele Wildtiere auch zu anderen Zwecken, wie der Pelzgewinnung, gefangen und gehalten.
Im Moment sollten Sie sich darauf konzentrieren, die Empfehlungen der Behörden wie die Abstandsregeln einzuhalten und Hygienestandards zu befolgen. Um langfristig gesund zu bleiben, sollten Sie grundsätzlich auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung achten. Langfristig ist es ratsam, den Verzehr tierischer Produkte zu reduzieren, um Ihr Risiko zu verringern, Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Diese stellen zusätzliche Risikofaktoren während Pandemien dar. Grundsätzlich kann eine Reduzierung dieser Zivilisationskrankheiten die Gesundheitssysteme entlasten und Ressourcen für lebenswichtige Notfallmaßnahmen frei machen. Das kommt allen zugute, die während dieser Ausnahmesituation auf medizinische Versorgung angewiesen sind. Der Wechsel zu einer pflanzlichen Ernährung hat das Potenzial, das Risiko von Pandemien an sich zu reduzieren.
Neben der Wahl von pflanzlichen und in naher Zukunft auch kultivierten Alternativen anstelle von tierischen Produkten können Sie auch die Mission von ProVeg unterstützen, einen systemischen Wandel im globalen Ernährungssystem herbeizuführen. Die Transformation des Ernährungssystems wird wesentlich dazu beitragen, die meisten Ursachen aktueller Epidemien und Pandemien an der Wurzel zu packen. Indem Sie ProVeg unterstützen, helfen Sie uns, weltweit das Bewusstsein für die Vorteile einer pflanzlichen Ernährung zu schärfen einschließlich der Risikominderung zukünftiger Pandemien – so können Sie ein wichtiger Teil dieser Lösung werden.
Helfen Sie uns, Veränderung zu schaffen
Unterstützen Sie ProVeg dabei, die pflanzlichen Innovationen im Nahrungsmittelsektor und bei alternativen Proteinen zu beschleunigen – entdecken Sie unsere vielfältigen erfolgreichen Maßnahmen und Events wie die New Food Conference, den ProVeg-Incubator und VegMed.
Quellen[+]
↑1 | Belay, E. D., Kile, J. C., Hall, A. J.,et al. (2017): Zoonotic Disease Programs for Enhancing Global Health Security. Emerging Infectious Diseases, 23(13). DOI: https://dx.doi.org/10.3201/eid2313.170544. |
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↑2 | FAO: Protecting people and animals from disease threats. Online unter http://www.fao.org/emergencies/crisis/diseases/en/ [18.03.2020] |
↑3 | Smith, K. F., M. Goldberg, S. Rosenthal, L. Carlson, J. Chen, C. Chen, S. Ramachandran (2014): Global rise in human infectious disease outbreaks. Journal of The Royal Society Interface. 11(101): DOI: https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsif.2014.0950 |
↑4 | CDC (2017): Zoonotic Diseases. Online unter: https://www.cdc.gov/onehealth/basics/zoonotic-diseases.html [16.04.2020] |
↑5 | WHO (2018): Influenza (Avian and other zoonotic). Online unter https://www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/influenza-(avian-and-other-zoonotic) [07.04.2020] |
↑6 | Van Boeckel, T. P., J. Pires, R. Silvester, C. Zhao, J. Song, N.G. Criscuolo, M. Gilbert, S. Bonhoeffer, R. Laxminarayan(2019) Global trends in antimicrobial resistance in animals in low- and middle-income countries. Science, 365 |
↑7 | Wolfe, N.D., C.P. Dunavan & J. Diamond (2012): Origins of major human infectious diseases. In Choffnes E.R., Institute of Medicine (U.S.) (eds): Improving food safety through a one health approach: workshop summary. Washington D.C: National Academies Press |
↑8 | Kingsley, D. H. (2016): Emerging Foodborne and Agriculture-Related Viruses. Microbiol Spectr. 4(4) |
Über den Autor
Jens Tuider
Internationaler Direktor