ProVeg
Reduzierung der Tierbestände gehört in den Koalitionsvertrag
Clara Hagedorn 3. November 2021
Gemeinsam mit 10 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen übergab ProVeg einen offenen Brief an die Parteien. In den Koalitionsvertrag gehören konkrete Maßnahmen – für eine Reduktion der Tierbestände und den Wandel hin zu einer pflanzlichen Ernährung.
Tierhaltung als Haupttreiber der Klimakrise
Dass unser Konsum tierischer Produkte eine der Hauptursachen für die Klimakrise ist, ist wissenschaftlicher Konsens. Deutschland verursacht mit am meisten Treibhausgase. Deshalb trägt die neue Regierung eine besondere Verantwortung.1Carbon Brief (2021): Analysis: Which countries are historically responsible for climate change? Online unter: https://www.carbonbrief.org/analysis-which-countries-are-historically-responsible-for-climate-change [02.11.2021] Im Bündnis mit 10 weiteren Organisationen wendet sich ProVeg deshalb an die Arbeitsgruppe „Landwirtschaft und Ernährung“ der laufenden Koalitionsverhandlungen. Es geht um 9 konkrete Forderungen für den Koalitionsvertrag.
Koalitionsvertrag: Pflanzliche Ernährung als Klimaschutzmaßnahme muss eine Rolle spielen
Konkret entfallen in Deutschland etwa 75 % der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft allein auf die Tierhaltung, hauptsächlich auf Methan.2Greenpeace (2021): Landwirtschaft auf dem Weg zum Klimaziel. Maßnahmen für Klimaneutralität bis 2045. Online unter: https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/landwirtschaft-auf-dem-weg-zum-klimaziel?utm_campaign=agriculture&utm_source=www.greenpeace.de&utm_medium=banner&utm_content=cpm&utm_term=klima-methan-tiere [02.11.2021] Methan wirkt als starkes Treibhausgas. Gleichzeitig überlebt es aber nur kurz in der Atmosphäre. Methan-Emissionen durch einen Abbau der Tierbestände zu reduzieren, ist eine besonders einfache, schnelle und günstige Klimaschutzmaßnahme.3McKinsey & Company (2021): Curbing methane emissions: How five industries can counter a major climate threat. Online unter: https://www.mckinsey.com/business-functions/sustainability/our-insights/curbing-methane-emissions-how-five-industries-can-counter-a-major-climate-threat [02.11.2021] Laut einer Studie des Öko-Instituts müssen die Tierbestände halbiert werden, um bis 2045 klimaneutral zu werden.4Greenpeace (2021): Landwirtschaft auf dem Weg zum Klimaziel. Maßnahmen für Klimaneutralität bis 2045. Online unter: https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/landwirtschaft-auf-dem-weg-zum-klimaziel?utm_campaign=agriculture&utm_source=www.greenpeace.de&utm_medium=banner&utm_content=cpm&utm_term=klima-methan-tiere [02.11.2021]
Auch die Rolle von CO₂ darf im Koalitionsvertrag nicht vernachlässigt werden. Da Wälder als Kohlenstoffsenken fungieren, wird CO₂ bei Rodungen freigesetzt. 80 % der weltweiten Abholzungen stehen mit unserem Ernährungssystem in Verbindung.5Fresán, U. & J. Sabaté (2019): Vegetarian Diets: Planetary Health and Its Alignment with Human Health. Advances in Nutrition 10 (Supplement_4), S380–S388. DOI:10.1093/advances/nmz019 Und fast 70 % des gerodeten Amazonas-Regenwalds wird als Weidefläche für Rinder genutzt.6Cerri, C. E. P., C. C. Cerri, S. M. F. Maia, et al. (2018): Reducing Amazon Deforestation through Agricultural Intensification in the Cerrado for Advancing Food Security and Mitigating Climate Change. Sustainability 10(4), 989. DOI:10.3390/su10040989 Weitere Flächen werden für den Anbau von Soja gerodet. Bis zu drei Viertel des weltweit angebauten Sojas ernähren Nutztiere.7Willet, W. et al. (2019): Food in the Anthropocene: The EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Online unter: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31788-4 [02.11.2021]
Wissenschaftlichen Konsens im Koalitionsvertrag nicht ignorieren
Das wissenschaftliche Beratungsgremium des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat die Regierung immer wieder aufgefordert, endlich umfassende Maßnahmen einzuleiten. Zum Beispiel die Tierbestände zu reduzieren und den Wandel hin zu einer pflanzlichen Ernährung zu fördern.8Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (2020): Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/wbae-gutachten-nachhaltige-ernaehrung.html [02.11.2021]9Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten. Berlin. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/Klimaschutzgutachten_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [02.11.2021] Der Grund: Eine pflanzliche Ernährung kann die persönlichen ernährungsbedingten Emissionen um die Hälfte reduzieren.10Hallström, E., A. Carlsson-Kanyama & P. Börjesson (2015): Environmental impact of dietary change: a systematic review. Journal of Cleaner Production 91, 1–11. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.jclepro.2014.12.008
Essen fürs Klima
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Doch die Verantwortung für die Bewältigung der Klimakrise trägt nicht nur die Bevölkerung. Es braucht politische Maßnahmen, um das Ernährungssystem zu transformieren. Andernfalls sind unsere Klimaziele schlicht nicht einzuhalten. Das Bündnis appelliert daher an die Vertreterinnen und Vertreter von SPD, Grünen und FDP: die 9 Forderungen in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Nur so werden die Koalitionspartner ihrem öffentlichen Auftrag zur Bildung einer zukunftsfähigen Regierung gerecht.
Die Forderungen an SPD, Grüne und FDP
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Hier finden Sie den offenen Brief, den wir am 03.11.2021 an Dr. Till Backhaus (SPD), Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Carina Konrad (FDP) versendet haben.
Quellen[+]
↑1 | Carbon Brief (2021): Analysis: Which countries are historically responsible for climate change? Online unter: https://www.carbonbrief.org/analysis-which-countries-are-historically-responsible-for-climate-change [02.11.2021] |
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↑2, ↑4 | Greenpeace (2021): Landwirtschaft auf dem Weg zum Klimaziel. Maßnahmen für Klimaneutralität bis 2045. Online unter: https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/landwirtschaft-auf-dem-weg-zum-klimaziel?utm_campaign=agriculture&utm_source=www.greenpeace.de&utm_medium=banner&utm_content=cpm&utm_term=klima-methan-tiere [02.11.2021] |
↑3 | McKinsey & Company (2021): Curbing methane emissions: How five industries can counter a major climate threat. Online unter: https://www.mckinsey.com/business-functions/sustainability/our-insights/curbing-methane-emissions-how-five-industries-can-counter-a-major-climate-threat [02.11.2021] |
↑5 | Fresán, U. & J. Sabaté (2019): Vegetarian Diets: Planetary Health and Its Alignment with Human Health. Advances in Nutrition 10 (Supplement_4), S380–S388. DOI:10.1093/advances/nmz019 |
↑6 | Cerri, C. E. P., C. C. Cerri, S. M. F. Maia, et al. (2018): Reducing Amazon Deforestation through Agricultural Intensification in the Cerrado for Advancing Food Security and Mitigating Climate Change. Sustainability 10(4), 989. DOI:10.3390/su10040989 |
↑7 | Willet, W. et al. (2019): Food in the Anthropocene: The EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Online unter: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31788-4 [02.11.2021] |
↑8 | Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (2020): Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/wbae-gutachten-nachhaltige-ernaehrung.html [02.11.2021] |
↑9 | Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten. Berlin. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/Klimaschutzgutachten_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [02.11.2021] |
↑10 | Hallström, E., A. Carlsson-Kanyama & P. Börjesson (2015): Environmental impact of dietary change: a systematic review. Journal of Cleaner Production 91, 1–11. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.jclepro.2014.12.008 |
↑11 | Gemeint ist hier ein sozialer Ausgleich für einkommensschwache Haushalte. Beispielsweise durch direkte Rückzahlungen, einen reduzierten Einkommensteuersatz oder eine Nachhaltigkeitsprämie. |
Über die Autorin
Clara Hagedorn
Referentin Politik