Corporate Engagement
Erfolgreich pflanzlich: Das Vegan-Ranking der Betriebsgastronomie
Elizabeth Buchheim 24. Mai 2023
Wie veggie-freundlich sind die deutschen Eigenregie-Caterer? ProVeg hat in Zusammenarbeit mit dem Fachmagazin gv-praxis ein Vegan-Ranking der Caterer in Eigenregie durchgeführt. Die Ergebnisse liefern spannende Einblicke in die Erfolgskonzepte – und motivieren andere, noch besser zu werden.
Betriebsgastronomie: Vorreiter bei Klimaschutz und Prävention
Die neue Ernährungsstrategie der Bundesregierung sieht eine pflanzenbetonte Kost als die wichtigste Stellschraube im Ernährungsbereich, um die nationalen und internationalen Klima-, Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.1BMEL (2022) Eckpunktepapier: Weg zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/ernaehrungsstrategie-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4 [08.05.2023] Der Gemeinschaftsverpflegung räumt sie eine zentrale Rolle in dieser Transformation ein. Ein Aufruf zum Handeln – aber auch eine Herausforderung für die Caterer.
Betriebsgastronomie als wirkungsvolle Stellschraube beim Ernährungswandel
Die Betriebsgastronomie ist mit 11,5 Milliarden Euro Jahresumsatz das größte und umsatzstärkste Segment der Gemeinschaftsverpflegung. Täglich essen 8,9 Millionen Beschäftigte in Betriebsrestaurants und Cafeterien. Viele der Contract-Caterer im Business-Segment haben bereits ein überzeugendes pflanzenbasiertes Angebot und werben aktiv damit.
Die Eigenregie-Betriebe andererseits sind ein nicht unerheblicher Player auf dem Markt: Allein die 10 größten Unternehmen servieren jährlich knapp über 16,6 Millionen Mittagessen und haben somit einen wichtigen Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck des Mutterkonzerns und die Gesundheit der Belegschaft.
Speisenangebot als wichtiges Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers
Eine umweltfreundliche und gesunde Verpflegung am Arbeitsplatz ist mittlerweile von vielen Tischgästen erwünscht. Laut einer Erhebung der Königsteiner Gruppe ist die Haltung des potenziellen Arbeitgebers in Sachen Klimaschutz für 62 % der Bewerber:innen auf dem deutschen Arbeitsmarkt wichtig, für 51 % gehört es gar zu den 3 wichtigsten Aspekten bei der Arbeitsplatzsuche.2Ein White Paper der Königsteiner Gruppe (2020) Jobfaktor Klima: Umweltbewusstsein bei deutschen Arbeitgebern. Online unter: https://studien.koenigsteiner.com/koenigsteiner-studie-jobfaktor-klima/ [08.07.2020] Eine pflanzenbetonte Ernährung gehört für viele selbstverständlich dazu. Vor allem die Generation Z, die derzeit in den Arbeitsmarkt einsteigt, treibt den Ernährungswandel voran – gefolgt von Millennials.3Compass Group (2023) Food at work, sustainability and digital high on wishlist for Gen Z talent. Online unter: https://www.compass-group.com/en/media/news/2023/GEAW-GenZ.html [24.05.2023]
Details zum Ranking
Das Ranking erfasst, wie die Betriebsgastronomen in Eigenregie aktuell aufgestellt sind und wo noch Potenziale schlummern. Die Ergebnisse zeigen, was die Branche noch braucht, um Vorreiter beim Klimaschutz und der betrieblichen Gesundheitsförderung zu werden – und die junge, zunehmend klima- und umweltbewusste Belegschaft zu begeistern.
Allgemein: Die Teilnahme an der Erhebung war freiwillig. Die Erhebung fand online statt und berücksichtigte folgende Aspekte: Angebotsgestaltung, Marketing und nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens. Bewertet wurden alle Standorte eines Unternehmens. Die erhobenen Daten basieren ausschließlich auf der Selbstauskunft der Unternehmen.
Auswahl der Unternehmen: Mitglieder des Deutschen Instituts für Gemeinschaftsgastronomie e. V., Leser der gv-praxis.
Vorgehen: Erhebungszeitraum mittels Online-Fragebogen: März bis April 2023. Auswertung: Mai 2023.
Bewertungssystem (maximal Punktzahl 40):
- Angebotsgestaltung (maximal 20 Punkte)
- Verfügbarkeit und Vielfalt von rein pflanzlichen Hauptspeisen, Desserts und Zwischenverpflegung
- Verfügbarkeit von und Aufpreis für Milchalternativen
- Marketing (maximal 11 Punkte)
- Kennzeichnung und Benennung der Gerichte im Speiseplan (Tischgastkommunikation)
- Preisgestaltung
- regelmäßige Aktionen
- nachhaltige Ausrichtung des Verpflegungsangebots (maximal 9 Punkte)
- Reduktion tierischer Zutaten
- Berücksichtigung der Betriebsgastronomie in der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens
- Schulung des Küchenpersonals
Zug um Zug pflanzlich: Die Gastronomie der Deutschen Bahn gewinnt
Mit insgesamt 30,2 Punkten belegt die DB Gastronomie GmbH den ersten Platz im Ranking. Nicht nur das Bordbistro erlebte im vergangenen Jahr einen beeindruckenden pflanzlichen Wandel: Auch für die Mitarbeitenden gibt es täglich ein veganes Hauptgericht, Dessert und Zwischenverpflegung im Angebot.
Der Mobilitätsriese ist stark im Marketing und nimmt jährlich standortübergreifend am Veganuary teil. In den Speiseplänen verwendet die DB Gastronomie Piktogramme zur Kennzeichnung von rein pflanzlichen Speisen und betont deren ökologische Vorteile. Verbesserungspotenzial gibt es bei der Schulung der Mitarbeitenden und der Reduktion tierischer Lebensmittel in anderen Gerichten. Die größte Herausforderung im Hinblick auf das pflanzliche Angebot sieht der Ranking-Sieger noch in der Aufklärung der Tischgäste und des kulinarischen Teams.
Ganz sicher pflanzlich: Platz 2 für Ergo Gourmet
Der Eigenregie-Caterer des Versicherungsunternehmens Ergo, Ergo Gourmet GmbH, landet auf Platz 2 mit 29,4 Punkten. Das pflanzliche Angebot fällt ähnlich stark aus wie bei der Deutschen Bahn. Mit jährlichen Aktionen überholt der Zweitplatzierte sogar den Sieger – es gibt standortübergreifend mehrere Aktionen zur pflanzenbasierten Ernährung, etwa die Teilnahme am Veganuary oder die Aktionswoche „Veganer Sommer“.
Besonders lobenswert: Ergo Gourmet erwähnt die Mitarbeiterverpflegung in der Nachhaltigkeitsstrategie des Mutterkonzerns. Bei der Speiseplangestaltung setzt das Unternehmen auf Piktogramme. Lediglich der Genuss und die ökologischen Vorteile rein pflanzlicher Speisen könnten in den Speiseplänen mehr betont werden. Auch bei der Schulung der Mitarbeitenden gibt es bei Ergo Gourmet noch Luft nach oben.
Qualität aus eigener Hand: Platz 3 für HDI
Den dritten Platz auf dem Treppchen belegt wohlverdient ein weiterer Versicherungs-Player – die HDI AG. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Mit runden 29 Punkten glänzt die HDI kategorieübergreifend. Das Unternehmen stellt die rein pflanzlichen Komponenten bevorzugt selbst her und setzt bei der Rezeptentwicklung stark auf Geschmack und Optik.
Bei der Angebotsgestaltung gibt es lediglich im Bereich Desserts und Zwischenverpflegung etwas Aufholpotenzial, denn diese Menü-Optionen gibt es beim Caterer nicht täglich. Dafür überholt HDI bei der Preisgestaltung sogar die beiden Top-Platzierten: Für Milchalternativen gibt es keinen Aufpreis, die pflanzlichen Gerichte sind oft sogar die preiswerte Wahl. Verbesserungspotenzial sieht das Unternehmen selbst noch hinsichtlich der Schulung des kulinarischen Teams.
„Plant-based“ in der Gastronomie 2023
Die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen sorgt für vielfältige Angebote – auch in den Restaurants. ProVeg hat erneut die Top 30 der veganfreundlichsten Restaurantketten identifiziert.
Zentrale Erkenntnisse im Überblick: Angebotsgestaltung
Die meisten teilnehmenden Unternehmen haben erkannt: Pflanzliche Offerten sind erwünscht, ja sogar aktiv gefordert, und werden dankend angenommen. 15 von 24 Unternehmen haben den Anteil rein pflanzlicher Essensangebote in den letzten 12 Monaten erhöht. Bei der Hälfte gibt es täglich ein veganes Hauptgericht und Dessert im Angebot, eine pflanzliche Zwischenverpflegung sogar bei 14 von 24 Unternehmen.
Erfreulicherweise haben 18 Unternehmen flächendeckend Milchalternativen im Angebot, 5 Unternehmen bieten sie teilweise an. Jedoch verlangen 10 von 24 Unternehmen für die pflanzliche Milch einen Aufpreis. Den Zuschlag für Pflanzenmilch aufzuheben ist ein wichtiges Zeichen: So bleiben besonders umweltbewussten Gästen Mehrkosten erspart und die anderen bekommen einen Anreiz, pflanzliche Optionen zu probieren.
„Der Anteil an veganen und vegetarischen Gerichten liegt bei uns bei circa 40–45 %, je nach Speiseplan.“
Bruno Hünermund
Gruppenleiter Helaba
Marketing und Tischgastkommunikation
Knapp drei Viertel (17 von 24 Unternehmen) verwenden Piktogramme, die Hälfte nutzt den Begriff „vegan“ in der Kennzeichnung. Nur 3 Unternehmen betonen den ökologischen Mehrwert der pflanzlichen Gerichte, lediglich 7 stellen den Genuss in den Vordergrund. Aufholpotenzial gibt es bei den Aktionen – lediglich 29 % der Unternehmen nehmen regelmäßig am Veganuary teil oder organisieren weitere Aktionen zum Thema pflanzenbasierte Ernährung.
Auch die Preisgestaltung kann durchaus ein Marketing-Instrument sein. 4 Unternehmen – HiPP, MAN Energy Solutions, Mercedes-Benz und Tchibo – bieten vegane Gerichte bewusst zu günstigeren Preisen an. Die klimafreundliche Option konsequent zur preiswerten Option zu machen, ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass ein Unternehmen sich seiner ökologischen Verantwortung bewusst ist.
Nachhaltigkeit
Die Branche wird immer klima- und umweltbewusster: Viele Unternehmen verkleinern die Portionsgrößen tierischer Produkte. Das betrifft nicht nur Fleisch (92 %) und Fisch (33 %), sondern auch den Einsatz von Kuhmilchprodukten (58 %), Hühnereiern (25 %) sowie Süßungs- und Geliermitteln tierischen Ursprungs (62 %). Pasta ohne Hühnereier, Rapsöl statt Butter – es gibt viele Stellschrauben, an denen die Unternehmen drehen können, ohne Abstriche beim Geschmack zu machen.
Workshops, Seminare und Trainings können die Mitarbeitenden motivieren und dafür sorgen, dass die Akzeptanz für die neue Esskultur steigt und erhalten bleibt. Nur die Hälfte der Ranking-Teilnehmer gab an, mindestens eine Schulung des kulinarischen Teams zum Thema vegane Küche durchgeführt zu haben. Bei der anderen Hälfte fanden bisher noch keine Schulungen statt. Nur ein Unternehmen führt jährliche Schulungen durch. Hier gibt es also ein deutliches Verbesserungspotenzial.
„Durch unsere jungen Gäste stellen wir immer mehr vegetarische Gerichte auf vegan um.“
Reimund Seidel
Leiter City Nordlicht Restaurant
Fazit
Das Ranking gibt spannende Erkenntnisse darüber, wie die Betriebsgastronomie in Eigenregie hinsichtlich pflanzlicher Küche aufgestellt ist. Obwohl das Gesamtbild einen recht positiven Eindruck hinterlässt, zeigt sich, dass kein Unternehmen die maximale Punktzahl von 40 Punkten erreicht hat. Im Großen und Ganzen entwickelt sich die Branche in die richtige Richtung.
Aber Kulinarik allein reicht für eine Top-Platzierung nicht aus: Nur wer das pflanzliche Verpflegungskonzept darüber hinaus attraktiv kommuniziert, monetäre Anreize für die Tischgäste schafft, das Küchenpersonal regelmäßig schult und eine pflanzenbetonte Verpflegung als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie betrachtet, überzeugt.
ProVeg Food Services
ProVeg Food Services bietet dem Außer-Haus-Markt Expertise auf dem Gebiet der pflanzlichen Küche und eine Fülle von Anregungen für ein nachhaltiges Angebot: Beratung, Kochtrainings, Rezeptentwicklung und Speiseplangestaltung sowie Empfehlungen für eine erfolgreiche Tischgastkommunikation. Zu unseren Kunden und Partnern zählen deutsche und internationale Caterer, Hersteller und Großhändler.
Quellen[+]
↑1 | BMEL (2022) Eckpunktepapier: Weg zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/ernaehrungsstrategie-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4 [08.05.2023] |
---|---|
↑2 | Ein White Paper der Königsteiner Gruppe (2020) Jobfaktor Klima: Umweltbewusstsein bei deutschen Arbeitgebern. Online unter: https://studien.koenigsteiner.com/koenigsteiner-studie-jobfaktor-klima/ [08.07.2020] |
↑3 | Compass Group (2023) Food at work, sustainability and digital high on wishlist for Gen Z talent. Online unter: https://www.compass-group.com/en/media/news/2023/GEAW-GenZ.html [24.05.2023] |
Über die Autorin
Elizabeth Buchheim
Food Services – Qualitätsmanagement