Corporate Engagement
Pflanzenmilch auf dem Vormarsch: das vegane Angebot in Deutschlands Kaffeehaus-Ketten
Kathleen Gerstenberg 3. März 2023
Kaffeehäuser gehören mittlerweile vielerorts zum Stadtbild. Auch für sie ist es wichtig, sich auf die wachsende Nachfrage nach rein pflanzlichen Essens- und Getränke-Optionen einzustellen. ProVeg hat sich deshalb in den großen Kaffeehaus-Ketten umgeschaut und das vegane Angebot unter die Lupe genommen.
Pflanzenmilch gibts meist nur gegen Aufpreis
Die gute Nachricht für alle, die ihren Kaffee lieber mit einer pflanzlichen Alternative statt mit Kuhmilch genießen: Alle von ProVeg untersuchten Kaffeehaus-Ketten bieten Hafermilch an. Sojamilch ist ebenfalls vielerorts verfügbar, gefolgt von Mandel- und Kokosmilch. Die meisten verlangen für Pflanzenmilch einen Aufschlag. Dieser reicht von 20 Cent bis 1 Euro, am gängigsten sind 50 Cent.
ProVeg-Tipp für Unternehmen: Mischkalkulation
ProVeg empfiehlt den Kaffeehäusern, die höheren Kosten von Pflanzenmilch auf den Verkauf von Kuhmilch umzuverteilen und den Zuschlag für Pflanzenmilch abzuschaffen, um die immer größer werdende Gruppe flexitarisch lebender Menschen anzusprechen. Kein Aufpreis für die Milchalternativen ist dabei wichtiger als eine große Auswahl. Wer noch keine Pflanzenmilch im Sortiment hat, sollte auf Hafermilch setzen – mit 56 % des Gesamtumsatzes von Milchalternativen in Supermärkten hierzulande ist Hafermilch die mit Abstand beliebteste Pflanzenmilch.1Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (2022): Milchersatzprodukte werden immer beliebter. Online unter: https://www.iwd.de/artikel/milchersatzprodukte-werden-immer-beliebter-546426/ (14.02.2023)
Methodisches Vorgehen
Die Analyse basiert auf der Selbstauskunft der Kaffeehaus-Ketten in einem Online-Fragebogen und einer Standort-Analyse in Berlin-Mitte. Nicht alle Ketten haben den Fragebogen beantwortet, zudem waren die Antworten teils widersprüchlich zu den Stichproben vor Ort.
Diese Herausforderungen in der Methodik sind zugleich ein markantes Merkmal der Kaffeehaus-Ketten-Landschaft: Sie ist extrem heterogen. Im Verlauf der Analyse zeigte sich, dass die Preis- und Angebotsgestaltung lokal sehr unterschiedlich sein kann. Entsprechend wurde der untersuchte Bereich stark eingegrenzt, um exemplarisch abzubilden, wie es derzeit um das pflanzliche Angebot in Kaffeehäusern bestellt ist.
Auswahl: 18 Filialen von 8 verschiedenen Ketten: alle Kaffeehäuser, die auf www.berlin.de in der Kategorie „Coffeeshops“ im Bezirk Berlin-Mitte gelistet sind (24): Coffee Fellows, Dunkin Donuts, Einstein, The Barn, Espresso House, Espresso Ambulanz, Starbucks, Hashtag-Coffeeshop
Ausschluss: 6 Filialen, die am Stichtag bereits geschlossen hatten
Vorgehen: Standort-Analyse am 12. und 13. Dezember 2022
Auswahl: Die Top 16 der umsatzstärksten Kaffeebars (foodservice (2020))
Ausschluss: 10 Kaffeebars, die unvollständig oder nicht geantwortet haben
Vorgehen: Erhebungszeitraum im November 2022
Süße Backwaren auch vegan vorhanden
Beim Speisenangebot in Kaffeehäusern bilden klassischerweise die süßen Backwaren den Schwerpunkt. Fast alle der von ProVeg untersuchten Kaffeehaus-Ketten in Berlin-Mitte haben mindestens eine süße vegane Option im Angebot. Die Auswahl reicht von Muffins, Cookies, Donuts und Apfelkuchen bis hin zu Porridge und Smoothie Bowls.
Auswahl herzhafter Snacks noch ausbaufähig
Bei den herzhaften Speisen ist dagegen noch Luft nach oben: Nur die Hälfte der betrachteten Kaffeehäuser bietet rein pflanzliche herzhafte Snacks an. Klassische vegane Beläge für Sandwich, Flatbread und Co. sind dabei Avocado, Falafel und Antipasti. Die Beispiele zeigen, wie kreativ die Angebote sein können. ProVeg empfiehlt den Kaffeehäusern, mindestens eine vegane herzhafte und eine süße Alternative anzubieten.
Plan(t)s for Professionals: Tipps für Gastronomen
„Plan(t)s for professionals“ widmet sich aktuellen Ernährungstrends und den Zielgruppen, die die rasant steigende Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln antreiben. Die Broschüre gibt Unternehmen im Food-Service-Sektor praxistaugliche Tipps, wie sie diese Nachfrage bedienen können.
Kennzeichnung nicht einheitlich
Das pflanzliche Angebot ist in Kaffeehäusern oft nur mit Mühe zu finden. In den untersuchten Filialen fehlt meist eine durchgehende Kennzeichnung der veganen Speisen und Getränke. Manchmal arbeiten die Ketten mit unauffälligen Piktogrammen, dann wiederum in der gleichen Filiale mit plakativen „Vegan“-Schildern. Mancherorts ist die Kennzeichnung Teil des Angebotsnamens („veganer Donut“), an anderer Stelle lässt sich das vegane Gebäck nur durch einen Blick auf die Zutatenliste oder gezieltes Fragen des Personals ausfindig machen.
Wer Pflanzenmilch möchte, findet sie häufig am Rand der Getränkekarte, teils in kleinerer Schriftart. Heißt: Wer gezielt vegane Angebote sucht, muss sich oft abmühen. Wer nicht aktiv nach ihnen Ausschau hält, wird von den Kaffeehäusern auch nicht zum Probieren ermutigt.
Vegan-Kennzeichnung: passende Begriffe für die Speisekarte
Vegan, pflanzlich, fleischfrei – für die Kennzeichnung von pflanzenbasierten Gerichten gibt es eine Vielzahl von Begriffen. Doch nicht jede Bezeichnung ist für die Gäste gleichermaßen verständlich. ProVeg hilft der Gastronomie bei der passenden Benennung von Speisen und Getränken.
Absatz steigern durch Nudging
Neben einer klaren und durchgehenden Kennzeichnung mit Piktogrammen empfiehlt ProVeg den Kaffeehäusern vor allem gezieltes Nudging. So kann sich der Umsatz einer pflanzlichen Menü-Option deutlich steigern lassen, wenn sie aktiv in den Vordergrund gerückt wird. Dazu zählt beispielsweise, sie ansprechend zu benennen, sie optisch gut sichtbar zu platzieren und ihre ökologischen Vorteile deutlich zu kommunizieren.
Pflanzenmilch ohne Aufpreis? Interview mit Coffee Fellows
Deutschland steht auf Hafermilch. ProVeg sprach mit Sybille Stauch von Coffee Fellows darüber, wie es aktuell um das vegan-vegetarische Angebot bestellt ist und welche Rolle Pflanzenmilch spielt.
Unternehmerische Verantwortung: Fairtrade-Kaffee reicht nicht
Heutzutage muss jedes Unternehmen sich Gedanken zu den ökologischen und sozialen Auswirkungen seines Wirtschaftens machen und Verantwortung dafür übernehmen – sonst droht Kundenschwund. Auch die Kaffeehäuser sind davon nicht ausgenommen. Ihre Antwort darauf sind zumeist Fairtrade-Kaffee und wiederverwendbare Kaffeebecher. Die ProVeg-Analyse zeigt, dass bisher der ökologische Mehrwert pflanzlicher Lebensmittel in der Außenkommunikation völlig vernachlässigt wird. Dabei verursacht die globale „Nutztierhaltung“ bis zu 20 % aller globalen Treibhausgas-Emissionen.2Xu, X., P. Sharma, S. Shu, et al. (2021): Global greenhouse gas emissions from animal-based foods are twice those of plant-based foods. Nature Food 2(9), 724–732. Doi:10.1038/s43016-021-00358-x
Pflanzenmilch – attraktiv für umweltbewusste Zielgruppen
Die Reduktion tierischer Lebensmittel ist ein wichtiger Hebel, um die drohende Klimakrise noch abzuwenden. Pflanzliche Alternativen spielen dabei eine wichtige Rolle. So fallen für die Herstellung von 1 Liter Hafermilch beispielsweise 71 % weniger Treibhausgase an als für die Herstellung von 1 Liter Kuhmilch. Außerdem wird nur ein Bruchteil an Wasser verbraucht (1,4 %).3 Poore, J. & T. Nemecek (2018): Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360(6392), 987–992. doi:10.1126/science.aaq0216 Für die umweltbewusste Kundschaft rücken diese Aspekte immer stärker in den Fokus und beeinflussen Kaufentscheidungen. Aktuell nutzen die Kaffeehäuser dieses Nachhaltigkeits-Argument noch nicht für sich.
„Wer die Nase vorn haben wird? Diejenigen, die klimafreundliche Produkte günstiger anbieten als klimaschädliche – und das auch kommunizieren.“
Katleen Haefele
Head of Food Services & Events bei ProVeg
Milchalternativen: ausgebremst durch Steuernachteile
Pflanzenmilch ist meist teurer als Kuhmilch und damit wirtschaftlich weniger attraktiv. Einer der Gründe dafür liegt in der ungleichen Besteuerung. Während Kuhmilch als Grundnahrungsmittel gezählt und mit 7 % besteuert wird, fällt für Pflanzenmilch der Regelsteuersatz von 19 % an. Damit sind pflanzliche Milchalternativen für die Gastronomie bereits im Einkauf unverhältnismäßig teuer – was sich in ihrem Verkaufspreis widerspiegelt.
Petition: 0 % fürs Klima
ProVeg vertritt die Meinung, dass niemand, der sich klimafreundlich ernähren möchte, bestraft werden darf und fordert deshalb in der aktuellen Kampagne „0 % fürs Klima“ eine Befreiung aller pflanzlichen Lebensmittel von der Mehrwertsteuer.
Fazit: Es gibt noch viel zu tun, aber die Richtung stimmt
- Süße vegane Backwaren sind in Berlin-Mitte in nahezu jeder Kaffeehaus-Kette vorhanden. Im Bereich der herzhaften Speisen ist noch Luft nach oben.
- Nach einheitlicher Kennzeichnung suchen Gäste vergeblich: Kaum eine Kaffeebar kann eine klare Strategie zur Auslobung pflanzlicher Speisen und Getränke vorweisen. Dabei kann gezieltes Nudging den Absatz pflanzlicher Milchalternativen steigern.
- Milchalternativen sind mittlerweile flächendeckend vorhanden. Im Fokus steht jetzt die Preisgestaltung. In der Regel gibt es Pflanzenmilch nur mit Aufpreis. Aber: Hier findet bereits ein Umdenken statt. Es ist zu erwarten, dass künftig noch mehr Unternehmen eine Mischkalkulation wählen und den Gästen Milchalternativen ohne Aufpreis anbieten.
- Die Angebots- und Preisgestaltung der Kaffeehäuser ist sehr heterogen – Angebote und Preise einer Filiale können sich schon nach wenigen Kilometern zu denen einer anderen Filiale der gleichen Kette unterscheiden.
- Beim Thema Nachhaltigkeit fehlt die Betonung ökologischer Vorteile durch pflanzliche Lebensmittel. Die Unternehmen lassen sich damit ein starkes Nachhaltigkeits-Argument für ihre umweltbewusste Zielgruppe entgehen.
- Die Politik hat Hausaufgaben. Dass Pflanzenmilch im Gegensatz zu Kuhmilch mit 19 % besteuert wird, macht sie wirtschaftlich unattraktiv. Mit Blick auf die Dringlichkeit der Klimakrise sollte die umweltschonende Alternative die günstigere Option sein.
Quellen[+]
↑1 | Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (2022): Milchersatzprodukte werden immer beliebter. Online unter: https://www.iwd.de/artikel/milchersatzprodukte-werden-immer-beliebter-546426/ (14.02.2023) |
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↑2 | Xu, X., P. Sharma, S. Shu, et al. (2021): Global greenhouse gas emissions from animal-based foods are twice those of plant-based foods. Nature Food 2(9), 724–732. Doi:10.1038/s43016-021-00358-x |
↑3 | Poore, J. & T. Nemecek (2018): Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360(6392), 987–992. doi:10.1126/science.aaq0216 |
Über die Autorin
Kathleen Gerstenberg
Content-Managerin
Unsere Autorin interessiert sich für gesunde Ernährung. Seit 2018 ist sie bei ProVeg, liebt Wortneuschöpfungen und jongliert als Content-Managerin mit Sprache, um noch mehr Menschen für eine pflanzliche Lebensweise zu begeistern.