Politik
Wissenschaftlicher Beirat fordert Reduktion von Fleischkonsum
Clara Hagedorn 3. September 2020
In seinem neuen Gutachten fordert der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf, stärker in den Bereich Ernährungspolitik einzugreifen. Der Fokus liegt unter anderem auf dem Konsum tierischer Produkte.
Nachhaltiger Ernährung politisch mehr Gewicht geben
Der WBAE ist ein dauerhaft bestehendes Gremium aus Expertinnen und Experten1Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz. Online unter: https://www.bmel.de/DE/ministerium/organisation/beiraete/agr-organisation.html [02.09.2020], das die Ernährungs- und Agrarpolitik des BMEL aus wissenschaftlicher Sicht bewertet und Vorschläge zu ihrer Weiterentwicklung macht. Sein neu veröffentlichtes Gutachten zum Thema „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“2 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (2020): Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/wbae-gutachten-nachhaltige-ernaehrung.html [02.09.2020] kritisiert vor allem, dass die Verantwortung für einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Ernährung bisher zu sehr auf Verbraucherinnen und Verbraucher abgeladen wurde. Stattdessen sollte die Politik dringend mehr steuern und „Nachhaltige Ernährung“ als eigenes Politikfeld begriffen werden.
Der Wissenschaftliche Beirat setzt sich für einen Systemwechsel ein
Der WBAE erarbeitete auf über 800 Seiten verschiedene Empfehlungen. Diese beschäftigen sich unter anderem mit einem Systemwechsel in der Gemeinschaftsverpflegung sowie der Förderung von Ökolandbau. Weiterhin soll Verbraucherinnen und Verbrauchern durch Labels und Informationskampagnen verlässliche Informationen bereitgestellt werden.
Ein Fokus liegt auf dem Konsum von Tierprodukten
Ein zentraler – und von der bisherigen Politik des BMEL weitgehend unbeachteter – Inhalt des Gutachtens dreht sich um die Notwendigkeit einer Reduktion des Konsums tierischer Produkte. Laut WBAE ist der gesellschaftliche Wandel – in diesem Fall die autonome Entscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, beispielsweise ihren Fleischkonsum zu reduzieren – sowie die Entwicklung technologischer Alternativen zu tierischen Produkten nicht ausreichend schnell, um die Nachhaltigkeitsziele im Bereich Klima und Umwelt erreichen zu können. Daher formuliert der Beirat mehrere Handlungsempfehlungen für die Politik, deren Umsetzung einen Rückgang des Konsums bewirken soll.
Diese Empfehlungen umfassen eine Mehrwertsteuersenkung für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, Informationskampagnen über den ökologischen Fußabdruck verschiedener Lebensmittel sowie ein spezielles Klimalabel. Weiterhin soll der Regelsteuersatz von 19 % auf alle tierischen Erzeugnisse eingeführt werden, da die bisherige Subventionierung mittels Mehrwertsteuersenkung aus umwelt- und klimapolitischen Gründen als nicht sachgemäß eingestuft wird.
ProVeg für eine Mehrwertsteuer von 19 % auf Fleisch
Nicht nur ProVeg setzt sich seit Jahren für eine solche Mehrwertsteueranpassung ein, auch im Klimaschutzgutachten des WBAE von 2016 wurde diese Maßnahme bereits gefordert.3Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/Klimaschutzgutachten_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [02.09.2020] Die im letzten Jahr vom BMEL einberufene sogenannte Borchert-Kommission, die sich mit dem Umbau der Tierhaltung beschäftigt, empfiehlt hingegen eine Verbrauchssteuer auf Fleisch. Diese wurde jüngst auch von den Agrarministerinnen und -ministern von Bund und Ländern unterstützt.4ZEIT Online (2020): Agrarministerkonferenz: Nutztieren soll es besser gehen. Online unter: https://www.zeit.de/news/2020-08/27/agrarministerkonferenz-nutztieren-soll-es-besser-gehen [02.09.2020] Beide Maßnahmen würden dazu beitragen, den Konsum tierischer Produkte zu senken.
Politik soll stärker steuern
Das Gutachten gibt dem BMEL nicht nur konkrete Handlungsempfehlungen mit an die Hand, sondern zielt insbesondere auch darauf ab, dass die Politik endlich eine stärkere Steuerungsfunktion einnimmt. Nur so kann der dringende Wandel hin zu einer nachhaltigen Ernährung stattfinden. Die Umsetzung der Forderungen des WBAE würden also ein starkes Signal seitens der Politik bedeuten. Sie würde zeigen, dass die Politik einerseits die Konsequenzen unserer aktuellen Konsumgewohnheiten für Tierwohl, Gesundheit und Klimaschutz ernst nimmt und andererseits endlich eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte anstrebt.
Hier finden Sie eine Kurzfassung des Gutachtens.
Quellen[+]
↑1 | Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz. Online unter: https://www.bmel.de/DE/ministerium/organisation/beiraete/agr-organisation.html [02.09.2020] |
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↑2 | Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (2020): Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/wbae-gutachten-nachhaltige-ernaehrung.html [02.09.2020] |
↑3 | Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Online unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/Klimaschutzgutachten_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [02.09.2020] |
↑4 | ZEIT Online (2020): Agrarministerkonferenz: Nutztieren soll es besser gehen. Online unter: https://www.zeit.de/news/2020-08/27/agrarministerkonferenz-nutztieren-soll-es-besser-gehen [02.09.2020] |
Über die Autorin
Clara Hagedorn
Referentin Politik