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V-Label für mehr Transparenz: Renato Pichler im Interview

Renato Pichler

Renato Pichler ist Gründer, Präsident und Geschäftsführer der Schweizer Veggie-Organisation Swissveg sowie Initiator des V-Labels. Das Siegel kennzeichnet vegane und vegetarische Produkte sowie Dienstleistungen und Gastronomiebetriebe. Konsumentinnen und Konsumenten werden dadurch bei ihren Kaufentscheidungen unterstützt. Im Interview erfahren Sie mehr über die Erfolgsgeschichte des V-Labels.

1996 hat Renato Pichler das V-Label initiiert. Mit dieser Lizenzierung können vegane beziehungsweise vegetarische Produkte nach einheitlichen Kriterien weltweit gelabelt werden. Das Siegel garantiert transparente Produktdeklarationen und zuverlässige Kontrollen, fördert die internationale Kooperation von Veggie-Organisationen und unterstützt eine pflanzenbasierte Lebensweise. Vom V-Label profitieren alle: Verbraucherinnen und Verbrauchern bietet die Lizenzierung Klarheit bezüglich der Inhaltsstoffe und Orientierung bei der Produktwahl, während die V-Label GmbH die wichtigsten Aufgaben steuert und so einen einheitlichen Ablauf garantiert. Veggie-Organisationen engagieren sich wiederum für die Verbreitung des Siegels und können durch die V-Label-Lizenzeinnahmen die pflanzliche Zukunft weiter vorantreiben. Label-online, dessen Träger die Verbraucher Initiative e. V. ist, hat das V-Label in allen Bewertungskategorien mit maximaler Punktzahl versehen und als „besonders empfehlenswert“ eingestuft.

Herr Pichler, wieso haben sie sich für eine pflanzliche Ernährung entschieden?

Seit 1993 lebe ich vegan, da es mir wichtig ist, die Verantwortung für die Auswirkungen meines Handelns zu übernehmen. Die Produktion tierischer Produkte verursacht großes Tierleid und schadet der Umwelt. Außerdem ist deren Konsum mitverantwortlich für viele Zivilisationskrankheiten. All dies möchte ich mit meinem Konsumverhalten nicht unterstützen.

Woher stammte die Idee, ein Label für Veggie-Produkte einzuführen?

1996 wollte die größte Schweizer Supermarktkette Migros Genossenschaft Zürich eine Produktlinie mit vegetarischen Fleischalternativen einführen. So etwas gab es zu der Zeit noch nirgends in der Schweiz. Damals wurde das Wort „vegetarisch“ (ganz zu schweigen von „vegan“) noch nicht von der Nahrungsmittelindustrie genutzt. In der Öffentlichkeit waren deren Definitionen auch noch kaum bekannt. Die Supermarktkette kontaktierte Swissveg (damals noch unter dem Namen SVV), da wir zu der Zeit als einzige Organisation die Anliegen von vegan und vegetarisch lebenden Menschen im Land vertreten haben. Ich habe dann ein Siegel kreiert, das in seiner Grundform bis heute Anwendung findet: das V-Label. Die Produktlinie „Cornatur“ war ein Riesenerfolg und wird bis heute laufend mit weiteren Produkten ergänzt. Nachdem Migros das V-Label im ganzen Land eingeführt hatte, wurden auch andere Firmen darauf aufmerksam. Auf dem Europäischen Vegetarier-Kongress 1999 habe ich das V-Label-Projekt als Vorstandsmitglied der Europäischen Vegetarier-Union (EVU) – bei der ich bis heute im Vorstand bin – international vorgestellt und andere Länder eingeladen, es auch einzuführen.

Das V-Label garantiert nicht nur, dass ein Produkt vegan oder vegetarisch ist. Welche anderen Kriterien müssen für eine V-Label-Lizenzierung erfüllt sein?

Uns war es von Anfang an wichtig, dass alle vegetarisch beziehungsweise vegan lebenden Personen hinter dem Label stehen können. Deshalb haben wir Produkte, die an Tieren getestet wurden, ausgeschlossen. Außerdem sind bei vegetarischen Lebensmitteln keine Käfigeier erlaubt (auch nicht von „ausgestalteten Käfigen“). Zudem werden keine Produkte lizenziert, die gentechnisch veränderte Zutaten enthalten.

Welche Vorteile bietet das V-Label im Vergleich zu anderen Siegeln?

Die Veggie-Bewegung zu stärken war und ist neben der transparenten Produktdeklaration ein weiteres zentrales Ziel des V-Labels. Vom V-Label profitieren nicht nur die Konsumentinnen und Konsumenten (vegane, vegetarische und solche, die ihren Konsum tierischer Produkte reduzieren möchten) sowie die Lizenznehmenden, sondern auch die Veggie-Organisationen. Dieses einzigartige Projekt trägt damit zur internationalen Vernetzung der ganzen Bewegung bei.

Neben verschiedenen Siegeln, die von unabhängigen Organisationen herausgegeben werden (wie die Veganblume), gibt es auch noch unternehmenseigene Labels. Diese sind jedoch kaum mehr als eine Packungsverzierung, da sie von niemandem kontrolliert werden und in der EU bis heute noch keine allgemeingültige Definition der Begriffe vegetarisch und vegan existiert, sodass jedes Unternehmen eine eigene Definition anwenden kann.

Wieso müssen die Unternehmen für die V-Label-Lizenzierung bezahlen?

Auf das V-Label sollen sich die Konsumentinnen und Konsumenten verlassen können. Dies ist nur gewährleistet, wenn auch entsprechend gute Kontrollsysteme vorhanden sind. Der Aufwand für solch ein professionelles Kontrollsystem wird durch die Einnahmen aus den Lizenzgebühren gedeckt.

Aktuell sind neben Lebensmitteln auch Kosmetikartikel sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel mit dem V-Label lizenzierbar. Was ist für die Zukunft geplant?

In den vergangenen 20 Jahren haben wir uns auf den Lebensmittelsektor in Europa fokussiert. In dem Bereich hat sich das V-Label nun europaweit durchgesetzt. Der Non-Food-Bereich (Kosmetikartikel, Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel) wird gerade aufgebaut und entwickelt sich gut. Wichtig ist aber auch die Gastronomie. In der Schweiz haben wir alle Ikea-Restaurants lizenziert, sodass neben dem veganen Hotdog mindestens ein veganes Menü und weitere vegetarische Menüs angeboten werden. Auch in Polen gibt es einige Lizenznehmer. Unser Lizenzierungskonzept für die Gastronomie werden wir demnächst auch auf die anderen Länder ausweiten.

Weitere Produkte sind beispielsweise Textilien (ohne tierische Wolle, Seide oder Pelz), Taschen und Schuhe (ohne Leder), Papier (ohne Gelatine, Knochen- oder Milchbestandteile), Gartenerde (ohne tierische Produkte wie Ausscheidungen) sowie Kondome (ohne Milchbestandteile). Es liegt also noch ein großes Gebiet vor uns – auch geografisch: Kürzlich sind Chile, Peru und Kanada hinzugekommen. Weitere Länder sind gerade dabei, sich dem Projekt anzuschließen. Vom V-Label kann also schon bald weltweit profitiert werden.

 

Vielen Dank, Renato Pichler, für das Gespräch.

Letztes Update: 11.11.2019

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