„Schweinebraten funktioniert nicht mehr“

Ein Gespräch mit Lorena Henig, Verwaltung Hochschulgastronomie, Studentenwerk Erlangen-Nürnberg.

Das Studentenwerk Erlangen-Nürnberg gehört zu den veganfreundlichsten in Deutschland. Auf die Vorgeschichte sind wir neugierig – wie fing es an?

Bereits 2013 gab es bei uns eine vegan-vegetarische Ausgabestelle neben der Hauptmensa. Die Nachfrage war schon damals da. 2017 wurde die Mensa St. Paul zur ersten komplett veganen Mensa Deutschlands. Wir hatten hier einen tollen Mensaleiter, der sehr kreative pflanzliche Gerichte entwickelte. Die Mensa St. Paul hat verschiedene Auszeichnungen bekommen. Neben der veganen Mensa bieten wir an den anderen 25 Standorten täglich ein veganes Essen an.

 Plan(t)s for Professionals: Tipps für die Gemeinschaftsverpflegung
„Plan(t)s for Professionals“ widmet sich aktuellen Ernährungstrends und den Zielgruppen, die die rasant steigende Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln antreiben und gibt Unternehmen im Food-Service-Sektor praxistaugliche Tipps, wie sie diese Nachfrage bedienen können.

Jede Veränderung braucht Zeit und Einsatz. Wie haben Sie den Übergang gestaltet?

Wareneinsatz und Kalkulation – ist ein pflanzliches Speisenangebot teurer?

Momentan sind die veganen und vegetarischen Angebote vom Wareneinsatz fast gleich teuer wie die Gerichte mit Fleisch und Fisch. Das liegt unter anderem daran, dass Nachhaltigkeit und Frische mehr Geld kosten.

Die vegane Küche, die wir anbieten, ist aus handwerklicher Sicht aufwendiger. Aber der Aufwand lohnt sich: Bei uns gibt es noch „echtes“ Kochen. Die Mensa St. Paul ist zum Beispiel komplett frei von Convenience-Produkten. Die veganen Speisepläne an anderen Standorten sind zu 89 % convenience-frei. Beim Gesamtportfolio sind wir bei 70 %.

Wie haben Sie Ihr Team überzeugt?

Grundsätzlich ist es uns wichtig, die Mitarbeiter:innen bei allen Veränderungen entsprechend abzuholen, egal, ob es sich dabei um vegane Küche, die Erhöhung des Bio-Anteils oder um Hygienevorschriften handelt. In der Mensa St. Paul haben wir für das Personal vegane Kochkurse und Schulungen angeboten. Außerdem haben wir verschiedene pflanzliche Gerichte ausprobiert und gesehen, dass sie schmecken.

Was sind Ihre aktuellen Herausforderungen?Derzeit kämpfen wir mit denselben Problemen wie alle anderen Gastronomiebetriebe, nämlich Preisgestaltung und Lieferengpässe. Etwa die steigenden Lebensmittelpreise müssen wir in unserer Kalkulation berücksichtigen. Das beunruhigt die Studierenden, denn sie haben bis auf einige wenige Ausnahmen nicht so viel Geld. Entsprechend bekommen wir bei Preiserhöhungen sofort Gegenwind. Wir versuchen, damit möglichst transparent umzugehen, die Gäste aufzuklären und stets ein offenes Ohr für Feedback zu haben. Ein Beispiel für die Herausforderung der Lieferengpässe: Am Freitagabend kommt plötzlich ein Anruf, dass von den 1.800 bestellten Artikeln nur 250 geliefert werden können. Entsprechend kurzfristig müssen die Speisepläne umgestellt werden.

„Powered by Plants“: Pflanzliche Menü-Linie von Eurest auf Wachstumskurs
Deutschlands größter Betriebscaterer hat 2020 in Zusammenarbeit mit ProVeg eine rein pflanzliche Menü-Linie entwickelt. Nach einer erfolgreichen Pilotphase wurde das Angebot weiter ausgerollt.

Wie kommt das Veggie-Angebot an?

Was sagen die Studierenden dazu?

Als Gastronom:in leben wir vom Lob des Gastes. Wir sehen uns selbst als die treibende Kraft der Nachfrage: Wir wollen möglichst viele Gäste mit unserem Angebot bedienen und dafür müssen wir attraktive Angebote schaffen. Für die pflanzlichen Gerichte bekommen wir eine sehr positive Resonanz, auch von verschiedenen Gremien, etwa vom Studierendenausschuss.

Was sind die beliebtesten veganen Gerichte?

Von unseren Top 5 sind 3 Gerichte vegan: Quinoa-Erbsen-Frikadellen, Tortellini und Dönerteller.

Ein paar Zahlen sind für uns auch sehr interessant.

Wie hat sich der Anteil veganer Gerichte im Verlauf der Zeit verändert?

Die Mensa St. Paul ist komplett vegan. In den anderen Mensen waren 2021 36 % der Gerichte vegan und 24 % vegetarisch. Außerdem arbeiten wir daran, den Fleischanteil in unseren Rezepturen zu reduzieren.

Wie haben sich die Bestellmengen verändert?

Im Moment ist es schwierig, die täglichen Essenszahlen für vegane Gerichte zu ermitteln, weil wir aufgrund der Pandemie noch keine klare Struktur in den täglichen Ausgabemengen haben. Teils mussten wir unser Angebot stark reduzieren. Derzeit bieten wir 2 Menü-Linien an – eine vegetarische oder eine mit Fleisch und eine vegane. Im Wintersemester 2022/2023 werden wir wieder 3 Menüs anbieten. An manchen Standorten wird es ab und zu auch 4 oder 5 Menüs geben.

Wie viel nachgefragt wird, liegt auch am übrigen Angebot und der Saison. Manchmal ist ein veganes Gericht der Renner, zum Beispiel wenn wir im Sommer parallel einen Schweinebraten mit Kartoffeln und eine vegane Bowl anbieten. Der Anteil der veganen Bowl liegt dann bei 70 %.

Werden vegane Gerichte zu anderen Preisen angeboten als ähnliche Gerichte mit tierischen Zutaten?

Wir haben eine Mischkalkulation und diese wird maßgeblich vom Kilo- beziehungsweise Stückpreis eines Lebensmittels bestimmt. Zum Beispiel ist eine vegane Currywurst mehr als doppelt so teuer wie eine Currywurst aus Fleisch. Aber im Vergleich zu einem Schweinebraten ist ein veganes Nudelgericht günstiger.

Vegan-Kennzeichnung: die Wahl der passenden Begriffe für die Speisekarte
Vegan, pflanzlich, fleischfrei – für die Kennzeichnung von pflanzenbasierten Gerichten gibt es eine Vielzahl von Begriffen. Doch nicht jede Bezeichnung ist für die Gäste gleichermaßen verständlich. ProVeg hilft Gastronom:innen bei der passenden Benennung.

Wie sieht das Mensa-Angebot der Zukunft aus – speziell bei Ihnen und im Allgemeinen?

Was ist Ihr größter Erkenntnisgewinn aus der Umstellung auf einen nachhaltigeren Speiseplan?

Die aktuelle Entwicklung finde ich gar nicht überraschend. Die Zeit dafür ist gekommen, der Zeitgeist ändert sich. Die Bevölkerung hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr Fleisch konsumiert, deswegen kam auch Billigfleisch auf den Markt. Da gab es auch einen Aufschrei bei den jungen Erwachsenen. Und Nachhaltigkeitsaspekte wie der CO2-Ausstoß oder Tierschutz werden immer wichtiger. Unsere Gäste sind zwischen 19 und 26 Jahre alt und sie fordern nachhaltiges Essen aktiv.

Aber auch bei den älteren Generationen sieht es mittlerweile ähnlich aus. Etwa die Zustände in der Massentierhaltung sind ja für viele der wichtigste Anstoß, kein Fleisch mehr zu essen. Als Dienstleister sind wir gefordert, mit diesem Wandel umzugehen. „Braten, Braten, Braten“ funktioniert nicht mehr. Aber auch eine leichte Küche muss es nicht immer sein. Insgesamt wollen wir ein attraktives Angebot schaffen und für alle Menschen etwas bieten.

Was möchten Sie Kolleg:innen mit auf den Weg geben, die ihr Menü pflanzenbasierter gestalten wollen?

Die Grundvoraussetzung ist der Spaß an der eigenen Arbeit. Geht mit der Zeit, probiert verschiedene Dinge aus, seid kreativ!

ProVeg Food Services
ProVeg Food Services bietet umfassende Serviceleistungen für die Gemeinschaftsgastronomie. Mit Beratung, Kochtrainings und Kontakten zu Herstellern unterstützen wir Sie dabei, Ihr pflanzliches Angebot auf- und auszubauen.

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