„Die Preise sind bei uns gleich geblieben“

Ein Gespräch mit Markus Lanze, Küchenleiter „Mensa am Turm“, Studentenwerk Göttingen.

Das Studentenwerk Göttingen gehört zu den veganfreundlichsten in Deutschland. Auf die Vorgeschichte sind wir neugierig – wie fing es an?

Etwa vor 15 Jahren hat unser Wirtschaftsleiter den veganen Koch Björn Moschinski als Inspiration für das Team eingeladen. Beim Kochworkshop sahen wir, dass vegane Küche kein Zauberwerk ist. Wir haben einige Sachen übernommen. Seitdem wurden Veggie-Gerichte zu einem festen Bestandteil unseres Angebots.

Im Frühjahr 2021, nach dem ersten Lockdown, kam die Idee auf, ein neues Konzept zu wagen und die „Mensa am Turm“ komplett fleischfrei zu machen. Unser Team nahm die Herausforderung an. Ich habe die Speisepläne entwickelt. Zum Glück gab es bereits mehrere Tausende Rezepte in unserer Datenbank, mit denen ich arbeiten konnte. Zuerst habe ich ein Grundgerüst erstellt, dann kam der Feinschliff wie Produktanpassungen.

Im Oktober 2021 starteten wir mit der Befürchtung, dass wir viel Gegenwind bekommen. Aber die jungen Menschen von heute haben einen vollkommen anderen Blickwinkel! Sie sehen das entspannt, sind neugierig, freundlich, keiner meckert – es war ein voller Erfolg! Wir hatten Angst, Kundschaft zu verlieren, doch das Gegenteil ist eingetreten: Wir sind wieder bei den Verkaufszahlen von 2019! Wir stecken viel Zeit und Mühe in authentische, selbst gemachte Speisen. Diese Arbeit wird honoriert.

 Plan(t)s for Professionals: Tipps für die Gemeinschaftsverpflegung
„Plan(t)s for Professionals“ widmet sich aktuellen Ernährungstrends und den Zielgruppen, die die rasant steigende Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln antreiben und gibt Unternehmen im Food-Service-Sektor praxistaugliche Tipps, wie sie diese Nachfrage bedienen können.

Jede Veränderung braucht Zeit und Einsatz. Wie haben Sie den Übergang gestaltet?

Wareneinsatz und Kalkulation – ist ein pflanzliches Speisenangebot teurer?

Es ist wichtig, dass der Geschmack stimmt. Nach rund einem Jahr seit der Umstellung kann ich sagen, dass es auf dem Lebensmittelmarkt sehr viele tolle vegane Produkte gibt. So finde ich heute beispielsweise alle Zutaten für unsere Hähnchen-Nuggets mit Cocktailsoße auch auf rein pflanzlicher Basis, etwa vegane Mayonnaise in 10-Kilo-Flaschen. Sie ist sogar wesentlich standfester und verdünnbarer als die Mayonnaise aus tierischen Zutaten. Damit relativiert sich auch der Preis. Wir haben alle unsere Soßen auf vegan umgestellt.

Aber klar: Wir zahlen für manche pflanzlichen Produkte mehr als für ihre tierischen Pendants. Es ist wichtig, nicht zu viele servierfertige Produkte zu kaufen und manche Komponenten selbst zu machen. Auch durch eine gute Mischkalkulation können wir dem höheren Preis entgegenwirken. Unsere Gäste zahlen nicht mehr als vorher! Die Preise sind bei uns gleich geblieben. Diese hängen davon ab, wie viele Essensportionen wir anbieten und was die anderen Menü-Optionen sind. Es dauert manchmal 2–3 Tage, bis die Einnahmen stimmen. Aber es geht. Teilweise haben wir exklusive Sachen angeboten, wie etwa frischen Spargel für 6,40 €. Dazu eine vegane Kräutersoße – die 800 Portionen waren schnell vergriffen!

Wie haben Sie Ihr Team überzeugt?

Wir haben offen miteinander gesprochen. Ich war überzeugt, dass so ein Angebot funktionieren kann. Als die Kolleg:innen nach dem Lockdown wieder zur Arbeit kamen, habe ich ihnen den neuen Speiseplan vorgestellt und die Gründe für die Umstellung offengelegt. Es ist sehr wichtig, dass die leitende Person hinter dem Konzept steht und alle an Bord sind.

Was sind Ihre aktuellen Herausforderungen?

Die größte Sorge hat uns die Akzeptanz bereitet: Wie läuft es nach Corona? Wie reagieren die Studierenden auf das neue Angebot? Das war nicht vorhersagbar. Aber wir waren positiv überrascht: Sie sind nett, interessiert und freundlich. Die meisten ernähren sich aus verschiedenen Gründen flexitarisch. Das sind überwiegend „Augentiere“ – erst schauen sie sich die Tafel und den Teller an, dann treffen sie eine Entscheidung. Wenn die Speise gut aussieht, dann läuft sie auch gut.

Vegan-Kennzeichnung: die Wahl der passenden Begriffe für die Speisekarte
Vegan, pflanzlich, fleischfrei – für die Kennzeichnung von pflanzenbasierten Gerichten gibt es eine Vielzahl von Begriffen. Doch nicht jede Bezeichnung ist für die Gäste gleichermaßen verständlich. ProVeg hilft Gastronom:innen bei der passenden Benennung.

Wie kommt das Veggie-Angebot an?

Was sind die beliebtesten veganen Gerichte?

Die beliebtesten veganen Gerichte in der „Mensa am Turm“ sind derzeit: Schnitzel auf Basis von Erbsenprotein mit Pilzsoße, Auberginenmus mit bunten Salaten, Sojageschnetzeltes in Erdnusssoße und Rote-Bete-Puffer mit Apfelmus. Grundsätzlich überzeugt fast alles, was aus dem Ofen kommt: Lasagne, Nuggets, Kürbisgerichte … Risottos gehen auch gut. Falafelbällchen laufen im Sommer hervorragend: Wir servieren sie mit verschiedenen Sorten Hummus und Fladenbrot. Was nicht mehr so gut verkauft wird: Gerichte wie Kaiserschmarrn mit Vanillesoße oder Käsespätzle. Der Zeitgeist ist ein anderer. Der Markt für pflanzliche Alternativen ist da und die Kundschaft ist bereit, dafür zu zahlen, wenn sie dafür ein authentisches, leckeres Essen bekommt.

Ein paar Zahlen sind für uns auch sehr interessant.

Wie hat sich der Anteil veganer Gerichte im Verlauf der Zeit verändert?

In der „Mensa am Turm“ gibt es ausschließlich vegane und vegetarische Speisen. Wir bieten 2 Menü-Linien an, dazu gibt es eine vegetarische oder vegane Salatschüssel. Seit Kurzem haben wir auch verschiedene Desserts.

Wie haben sich die Bestellmengen verändert?

Die Mensa wurde vor 28 Jahren für eine Kapazität von 1.200 Essen gebaut. Die größte Zahl der Tagesgäste seit Oktober 2021 war 1.882 – vergleichbar mit 2019, also vor Corona. Die Zahl schwankt aber stark, sie hängt auch davon ab, was in anderen Mensen angeboten wird. Ab 1.500 Gästen ist ein guter Tag.

Nachhaltigkeit fördern durch Nudging
Welches Essen wir bestellen, wird oft von unserer Umgebung beeinflusst. Durch die bewusste Präsentation von Gerichten lässt sich das Kaufverhalten von Gästen beeinflussen.

Wie sieht das Mensa-Angebot der Zukunft aus – speziell bei Ihnen und im Allgemeinen?

Was ist Ihr größter Erkenntnisgewinn aus der Umstellung auf einen nachhaltigeren Speiseplan?

Die Leute machen mit. Die Gäste lassen sich auf neue Gerichte ein. Das Angebot ist so nachhaltig wie möglich – das wollen die Menschen. Vor allem unsere Zielgruppe: junge Menschen in Ausbildung. Die Gäste nehmen das Angebot dankend an und geben uns positives Feedback, auch in den sozialen Medien.

Was möchten Sie Kolleg:innen mit auf den Weg geben, die ihr Menü pflanzenbasierter gestalten wollen?

Probiert es einfach! Fangt damit an, 3-mal pro Woche ein veganes Essen anzubieten. Pfannengerichte laufen super, zum Beispiel mit leckeren Soßen, Tofu oder Sojaschnetzeln. Bei der Rezeptentwicklung geht es um die Frage nach bekannten Geschmacksmustern: Wie schmeckt eine Gulaschsuppe? Wie bekomme ich den Geschmack mit anderen Zutaten hin? Was will ich auf den Teller bringen – optisch wie geschmacklich? Was muss ich gegebenenfalls ersetzen? Dann macht es und es wird funktionieren!

ProVeg Food Services
ProVeg Food Services bietet umfassende Serviceleistungen für die Gemeinschaftsgastronomie. Mit Beratung, Kochtrainings und Kontakten zu Herstellern unterstützen wir Sie dabei, Ihr pflanzliches Angebot auf- und auszubauen.

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