„Wir bieten vegane Gerichte bewusst günstiger an“

Ein Gespräch mit Philipp Heckmann, stellvertretenden Abteilungsleiter Hochschulgastronomie, Studentenwerk Osnabrück.

Das Studentenwerk Osnabrück gehört zu den veganfreundlichsten in Deutschland. Auf die Vorgeschichte sind wir neugierig – wie fing es an?

Aufgrund der veränderten Ernährungsgewohnheiten und den Wünschen der Studierenden haben wir unser pflanzenbasiertes Angebot immer wieder verbessert und angepasst. Seit 2015 gibt es an unseren Mensen von Montag bis Freitag täglich ein veganes Hauptgericht. Auch davor gab es bereits pflanzliche Speisen, allerdings wurden sie nicht als solche gekennzeichnet.

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Jede Veränderung braucht Zeit und Einsatz. Wie haben Sie den Übergang gestaltet?

Wareneinsatz und Kalkulation – ist ein pflanzliches Speisenangebot teurer?

Wir haben uns bewusst dafür entschieden, vegane Gerichte günstiger anzubieten als Fleischgerichte. 2020 fand die letzte Preiserhöhung statt, wobei wir die Preise für Hauptgerichte um 10 % erhöht haben. Das haben wir nur bei Speisen mit Fleisch und Fisch, aber nicht bei Veggie-Gerichten getan. Grundsätzlich kalkulieren wir unsere Preise nach Wareneinsatz. Bei pflanzlichen Gerichten ist der Wareneinsatz im Durchschnitt niedriger als bei Gerichten mit tierischen Zutaten – um satte 50 %.

Dabei sind unsere Komponenten fast zu 100 % hausgemacht. Wir verwenden kaum Convenience-Produkte. Unsere Bratlinge und Pattys machen wir selbst und setzen insgesamt viel auf frisches Gemüse und Getreide. Das heißt wiederum, dass wir einen höheren Personalaufwand haben. Alles kommt frisch an und wird vor Ort geputzt und geschnitten. Zusätzlich verwenden wir auch Soja- und Lupinenprodukte wie Schnetzel und Granulat. Letztere beziehen wir aus Deutschland.

Wie haben Sie Ihr Team überzeugt?

Seit 2016 stößt pflanzliche Ernährung auf eine sehr große Akzeptanz, sowohl bei der Küchenleitung als auch bei den Köch:innen und Küchenhilfen. Gepusht wurde das Ganze durch einen internen Workshop zur veganen Menü-Linie „Mensa Global“, den wir als Team zusammen gestaltet haben. Wir haben ein Wochenende in einem Tagungshotel verbracht und gemeinsam Rezepte entwickelt. Das entsprechende Know-how war bei uns im Team schon vorhanden. Die Kolleg:innen haben grundsätzlich großes Interesse am Thema und beschäftigen sich mit Trends, vor allem die jüngeren. Berührungsängste mit pflanzlicher Küche gibt es bei uns im Team nicht.

Was sind Ihre aktuellen Herausforderungen?

Zum einen ist die Beschaffung nach wie vor schwierig. Nicht immer ist eine passende Gebindegröße vorhanden, von manchen Produkten gibt es nur 1-Liter-Tetrapacks oder 500-Gramm-Becher. Einige Komponenten machen wir daher selbst. Aber es gibt immer wieder Produkte, die wir nicht im Großhandel bestellen können. Teilweise müssen unsere Mitarbeiter:innen deshalb im Einzelhandel einkaufen gehen.

Zum anderen ist die aktuelle Preissteigerung für Lebensmittel ein Problem. Zudem haben wir immer noch relativ wenige Tischgäste. Zwar haben wir alle Standorte geöffnet, machen aber derzeit einen Umsatz von etwa 60 % im Vergleich zu 2019. Es kommen nicht mehr so viele Gäste in die Mensen, weil sich die Ernährungsgewohnheiten durch die Pandemie teilweise geändert haben.

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Wie kommt das Veggie-Angebot an?

Was sagen die Studierenden dazu?

Hierzu gibt es regelmäßige Gespräche mit Studierenden und verschiedenen Gremien. Die Studierenden sind von unserem veganen Angebot sehr begeistert, das sehen wir auch an den Bewertungen. An unseren Mensen können Gerichte und Komponenten mit „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ und auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet werden. Viele pflanzliche Gerichte werden mit einer durchschnittlichen Punktzahl von 4,5 als gut oder sehr gut bewertet. In Kommentaren bedanken sich die Menschen und fragen nach Rezepten. Wir bekommen sehr viel Zuspruch.

Manchmal gibt es natürlich auch konträre Meinungen, etwa dass die Gerichte zu experimentell seien und sich die Person etwas „Bodenständiges“ wünsche. Der Preisunterschied verschiedener Speisen wird manchmal auch infrage gestellt: Aber Gerichte, die frisch sind und handwerklich anspruchsvoll zubereitet wurden, kosten eben mehr.

Was sind die beliebtesten veganen Gerichte?

Pastagerichte kommen sehr gut an, zum Beispiel die Lupinen-Bolognese. Die Zucchini-Linsen-Lasagne und das Soja-Tikka-Masala sind mit 4,6 sehr gut bewertet. Auch unsere Falafel mit persischem Reis und Tomaten-Chutney schneidet gut ab.

Vegane Desserts bieten wir auch an, etwa hausgemachten Crumble mit saisonalem Obst wie Beeren oder Äpfel. Auch Cremespeisen sind in der Menü-Linie „Mensa Global“ regelmäßig im Angebot, derzeit etwa eine vegane Vanillecreme mit Erdbeersoße. Unsere Desserts kommen bei den Gästen super an.

Ein paar Zahlen sind für uns auch sehr interessant.

Wie hat sich der Anteil veganer Gerichte im Verlauf der Zeit verändert?

2021 waren 47 % unserer verkauften Speisen vegan. Dazu kamen 15 % vegetarische Gerichte. Die gesamte pflanzenbasierte Menü-Auswahl betrug daher über 60 %. Diese Zahl ist deutlich gestiegen und wächst weiter.

Wie haben sich die Bestellmengen verändert?

Im Moment servieren wir insgesamt etwa 4.000 Essen pro Tag. Alle 3 Menü-Linien – „Mensa Global“, „Mensa Active“ und „Mensa Classic“ – sind an allen Standorten verfügbar. Die großen Mensen haben identische Speisepläne. Die kleineren Mensen haben in der Regel auch ein kleineres Angebot, aber die vegane Menü-Linie „Mensa Global“ ist immer dabei.

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Ende 2019 entwickelte Klüh Catering mit Unterstützung von ProVeg die Menü-Linie „Pflanzenkraft“ für Krankenhäuser und Reha-Kliniken. Dafür wurden sie 2021 mit dem renommierten Frankfurter Preis ausgezeichnet. Eine klare Botschaft an die Gemeinschaftsgastronomie.

Wie sieht das Mensa-Angebot der Zukunft aus – speziell bei Ihnen und im Allgemeinen?

Was ist Ihr größter Erkenntnisgewinn aus der Umstellung auf einen nachhaltigeren Speiseplan?

Die größte Erkenntnis aus den letzten Jahren: Umstellung funktioniert vor allem durch Begeisterung. Toller Geschmack, zeitgemäße Trendgerichte und rundum tolle Rezepte! Die Tischgäste sollen freie Wahl und gute Angebote bekommen. Außerdem nutzen wir die Food-Fotografie: Essensbilder beeinflussen die Wahl der Studierenden maßgeblich. Oftmals treffen sie ihre Wahl allein anhand der Optik.

Im 2. Schritt können die pflanzlichen Gerichte auch durch Maßnahmen wie den „Klimapreis“ attraktiv hervorheben. Dafür loben wir die Speisen aus der Menü-Linie „Mensa Global“ mit dem Klimateller-Icon aus. Künftig könnten wir bei allen unseren Menü-Linien die Treibhausgas-Emissionen berechnen und angeben, wenn es uns gelingt, die Kapazitäten dafür auszubauen. Auch die Nährwerte aller Gerichte geben wir an, diese können die Tischgäste in unserer App oder online im Speiseplan einsehen. 

Was möchten Sie Kolleg:innen mit auf den Weg geben, die ihr Menü pflanzenbasierter gestalten wollen?

Einfach ausprobieren und machen! Fangt damit an, tolle Gerichte anzubieten und das Ganze entsprechend auszuloben. Es braucht gar keine große Vorarbeit, legt einfach los!

ProVeg Food Services
ProVeg Food Services bietet umfassende Serviceleistungen für die Gemeinschaftsgastronomie. Mit Beratung, Kochtrainings und Kontakten zu Herstellern unterstützen wir Sie dabei, Ihr pflanzliches Angebot auf- und auszubauen.

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