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Politik
So veggie-freundlich sind die Parteien

Um die Entscheidung in der Wahlkabine zur vergangenen Bundestagswahl am 24. September 2017 leichter zu machen, hat ProVeg-Politik die Parteien zu verschiedensten Fragen um Stellungnahmen gebeten und zusätzlich die Wahlprogramme ausgewertet.
Pflanzliche Lebensweisen, Tierschutz, Ernährungs- und Agrarpolitik erfahren immer mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Trotzdem sind diese Themen in der Politik nicht immer prominent auf der Tagesordnung. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien finden sich häufig wenige oder nur vage Forderungen dazu. Deshalb ist nicht sofort klar, welche Partei die Interessen von den Menschen am besten vertritt, die sich für diese Themen interessieren. Für die Befragung wurden Parteien ausgewählt, die entweder aktuell oder in den letzten Jahren im jeweiligen Parlament vertreten sind beziehungsweise waren oder ein Wahlprogramm (hilfsweise Parteiprogramm) haben, das sich eindeutig positiv zu pflanzlicher Ernährung und/oder Tierrechten bekennt.
Die Parteien haben mal mehr, mal weniger aussagekräftig geantwortet (siehe Tabelle). Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass sich die CDU/CSU, ähnlich wie die FDP, zu den Forderungen überwiegend ablehnend positioniert. Die Antworten von SPD und DIE LINKE fallen gemischt aus, breite Unterstützung kommt tendenziell von den Grünen. Ohne Ausnahme in allen Punkten unterstützend äußern sich V-Partei³ und Tierschutzpartei. Im Folgenden diskutieren wir die Antworten der Parteien, die sich nicht so klar positionieren.
Grundsätzlicher Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft
Mit welchem Tonfall und mit welchen Begriffen die Funktionen der Landwirtschaft beschrieben werden – allein darin unterscheiden sich die Parteien schon bemerkenswert. CDU/CSU betonen die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln als Kernaufgabe und beschreiben relativ unverhohlen ihr agrar-konservatives Weltbild: Marktwirtschaftliche Instrumente statt „dirigistische staatliche Eingriffe“, Anforderungen an die Bäuerinnen und Bauern müssten sich für diese finanziell rechnen, Bürokratieabbau und dergleichen mehr. Eine generelle Richtungsänderung sieht die Union nicht als erforderlich an. Ähnlich äußert sich die FDP und verkündet, in der Landwirtschaft auf Wettbewerb zu setzen. Landwirtinnen und Landwirte seien Unternehmerinnen und Unternehmer, die durch eigene Leistungen vorankämen. Ordnungsrechtlichem Lenken des Staates wird eine Absage erteilt. Progressiver äußern sich SPD, Grüne und Linkspartei, die zusätzliche Funktionen beziehungsweise Anforderungen der Landwirtschaft wie Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz betonen oder zumindest erwähnen. Grundsätzlich gegensteuern wollen die Grünen und fordern den Ausstieg aus der industriellen Massentierhaltung in den nächsten 20 Jahren.
Unterschiedlich äußern sich die Parteien auch zum gesellschaftlichen Produktions- und Konsumniveau tierischer Produkte. SPD, Grüne und Linkspartei unterstützen eine Reduktion des Fleischkonsums und der Tierbestände, wenn auch unterschiedlich deutlich. Die Union betont hingegen, dass man den Bürgerinnen und Bürgern nicht vorschreiben werde, was sie zu essen haben und auch den Landwirtinnen und Landwirten nicht, was und wie viel sie zu produzieren haben. Auch die FDP lehnt jegliche Steuerung ab und spricht sich gegen eine „Verbots- und Bevormundungspolitik“ sowie für ein Produktionsniveau aus, das sich ausschließlich an Angebot und Nachfrage des Marktes orientiert.
Steuern und Abgaben
Das komplexe System der Mehrwertsteuer wird von allen Parteien insgesamt als reformbedürftig angesehen. Dieses sieht unter anderem für tierische Produkte generell den verminderten Steuersatz von 7 % vor, ökologisch und ethisch vorteilhaftere pflanzliche Produkte werden jedoch gleich hoch besteuert – oder sogar schlechter gestellt. So wird auf pflanzliche Milchalternativen der reguläre Steuersatz von 19 % erhoben. Die allgemeine Reformbedürftigkeit bedeutet für die Parteien aber nicht zwingend, dass dies geändert werden sollte: Wenig verwunderlich ist, dass CDU/CSU und FDP Veränderungen in diesem Bereich ablehnend gegenüber stehen. Die FDP lehnt die „politische Steuerung des Konsums“ generell ab. DIE LINKE möchte zwar pflanzliche Milchalternativen steuerlich nicht schlechter stellen als Kuhmilch, hält eine Steuererhöhung für Tierprodukte aber nicht für zielführend. Auch die SPD zweifelt die Lenkungswirkung von Konsumsteuerung mittels veränderter Mehrwertsteuersätze an und sieht Einzelmaßnahmen skeptisch, die nicht in eine neue Systematik eingearbeitet sind. Die Grünen möchten die Schlechterstellung pflanzlicher Produkte beenden, halten aber eine Differenzierung der Mehrwertsteuersätze im Bereich der Lebensmittel generell für nicht zielführend. Sie sprechen sich stattdessen für eine Internalisierung externer Kosten aus, damit Produktpreise die ökologische und soziale Wahrheit widerspiegeln.
Lebensmittel-Kennzeichnung
Mittlerweile unterstützen alle Parteien die Forderung nach einer rechtsverbindlichen Definition der Begriffe „vegan“ und „vegetarisch“, für die sich ProVeg-Politik seit Jahren intensiv engagiert. Dabei konnten seit 2013, als sich CDU/CSU und FDP noch ablehnend geäußert hatten, wesentliche Fortschritte erzielt werden: Im April 2016 beschlossen die Länder auf der Verbraucherschutzministerkonferenz einstimmig eine gemeinsam mit ProVeg sowie der Lebensmittelwirtschaft ausgearbeitete Definitionsempfehlung. Nun ist die EU-Kommission am Zug, die laut EU-Lebensmittelinformations-Verordnung zur Erarbeitung rechtsverbindlicher Definitionen verpflichtet ist. Die breite Unterstützung der deutschen Politik ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Signal.
Die Parteien wurden auch gefragt, ob sie eine verpflichtende Kennzeichnung aller tierischen Stoffe befürworten, die bei der Produktion eines Lebensmittels verwendet wurden. Dadurch würde beispielsweise sofort erkennbar, ob ein Wein mit tierischer Gelatine behandelt wurde oder nicht – eine Information, die heute direkt beim herstellenden Unternehmen nachgefragt werden muss. Alle Parteien unterstützen die Forderung nach einer Pflichtkennzeichnung. Das ist insofern ein überraschendes Ergebnis, da bisher zumindest CDU/CSU und FDP diese positive Haltung nicht geäußert hatten und man auch eher hätte erwarten können, dass dies als zusätzlicher Aufwand für die Wirtschaft abgelehnt würde. Gespräche mit Parteivertreterinnen und -vertretern in der Zukunft werden zeigen, ob diese Position die etablierte Parteimeinung darstellt.
Bezüglich der Frage, ob pflanzliche Fleisch- und Milchalternativen mit Begriffen wie „veganes Schnitzel“ und „Sojamilch“ benannt werden dürfen, ist die Stimmungslage gemischt, aber überwiegend unterstützend. SPD, FDP und Grüne befürworten dies, DIE LINKE äußert sich unklar und betont, dass die Benennung eines Lebensmittels nicht über dessen tatsächlichen Inhalt hinwegtäuschen sollte. Auch die CDU/CSU lässt eindeutig verständliche Aussagen vermissen und befürwortet eine klare Unterscheidung zwischen vegetarischen und nichtvegetarischen Lebensmitteln. Sehr viel deutlicher ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in seinen Forderungen nach einem Verbot von „veganer Bratwurst“ und ähnlichen Bezeichnungen.
Die Grünen fordern, prominent auch im Wahlprogramm, eine verbindliche Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte, analog zur bereits existierenden Kennzeichnung bei Eiern. Auch DIE LINKE spricht sich dafür aus. Die SPD fordert, dass Konsumierenden bei Fleisch, Milch und Eiern auch in verarbeiteter Form erkennen können müssten, wie diese Tiere gehalten wurden. Interessanterweise geht dies über die Position hinaus, die sich im SPD-Wahlprogramm findet: Dort ist nur von einem staatlichen Tierschutzlabel die Rede, das Lebensmittel aus „artgerechter“ Haltung kennzeichnen soll. Die FDP betont die praktischen Probleme der EU-weiten Abstimmung und die Schwierigkeit, vielfältige Haltungssysteme zu vergleichen. CDU/CSU setzen, wenig ambitioniert, auf das vom Bundeslandwirtschaftsministerium bislang nur in Grundzügen skizzierte staatliche Tierwohllabel, das auf Freiwilligkeit basiert.
Klimaschutz
Aktuell beziffern die Wissenschaftlichen Beiräte des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen auf etwa ein Viertel der gesamten Emissionen Deutschlands. Der Klimaschutzplan 2050 stellt die langfristige, nationale Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens dar. Leider wurden aus diesem Abkommen entscheidende Maßnahmen – wie eine gesamtgesellschaftliche Reduzierung des Konsums tierischer Produkte und ein Abbau der Tierbestände – nach anfänglicher Erwähnung in späteren Entwürfen des Plans wieder gestrichen. Wir fragten auch dazu die Meinung der Parteien ab. Die CDU/CSU ignoriert den gravierenden Handlungsbedarf und äußert, dass die Tierhaltung in Deutschland umwelt- und ressourcenschonender produzieren könne als dies in anderen Weltregionen der Fall sei. Die FDP will auf technischen Fortschritt setzen und verweist auf möglicherweise gefährdete Arbeitsplätze. Für eine flächengebundene Tierhaltung spricht sich die SPD aus und bejaht allgemein, dass das gegenwärtige Produktions- und Konsumniveau unter Klimaschutzgesichtspunkten zu hoch ist. DIE LINKE betont dies ebenfalls und will sich dafür einsetzen, bei der Fortschreibung und Ausgestaltung des Klimaschutzplans verstärkt die Agrar- und Ernährungswirtschaft in die Klimaschutzpflichten einzubinden. Die Grünen sind in ihrer Unterstützung am deutlichsten und wollen neben der Tierhaltung allgemein auch den Import von Futtermitteln einschränken.
Lebensmittelverschwendung
Wir erkundigten uns auch, ob die Parteien die ineffiziente Umwandlung von pflanzlichen zu tierischen Lebensmitteln, die enorme Mengen an Ressourcen verbraucht, als eine Form von Lebensmittelverschwendung betrachten. Die Antworten fallen erstaunlich divers aus. Einfach macht es sich die FDP und antwortet: „Nein.“ CDU/CSU bleiben sehr allgemein, möchten im Rahmen von Bildung der Verbraucherinnen und Verbraucher laut eigener Aussage aber zumindest ab dem Kindesalter die Herstellungsweisen von Lebensmitteln und den Einsatz der Ressourcen bei der Erzeugung von pflanzlichen wie von tierischen Nahrungsmitteln vermitteln. ProVeg-Politik hatte in der Vergangenheit kritisiert, dass das unionsgeführte Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die durch die Herstellung tierischer Produkte bedingte Ressourcenverschwendung konsequent ignoriert. Die SPD will eine nationale Strategie gegen Lebensmittelverschwendung mit Zielmarken für die unterschiedlichen Branchen umsetzen, antwortet aber ansonsten komplett an der Frage vorbei. Wenig hilfreich ist auch die Antwort von DIE LINKE: Die Partei spricht sich dagegen aus, Ernährungsstile auf Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und gibt zu Protokoll: „Aus unserer Sicht ist die Verschwendung von Lebensmitteln das unnötige Entsorgen noch genießbarer Produkte.“ Die ineffiziente Fleischproduktion sei aber anzuprangern. Die Grünen verweisen – etwas verkomplizierend – darauf, dass die Verschwendung tierischer Lebensmittel aufgrund ihres größeren Klimafußabdrucks einen großen Anteil an den Ressourcenverlusten durch Lebensmittelverschwendung habe. Mit anderen Worten: Das Wegwerfen eines tierischen Produktes sei eine größere Verschwendung als die Entsorgung eines pflanzlichen Produktes. Man wolle außerdem generell über die Folgen von Fleischproduktion und -konsum auf Klima, Umwelt und Gesundheit aufklären.
Pflanzliches Angebot in öffentlichen Kantinen
Des Weiteren wurde eine Stellungnahme der Parteien zu einem dauerhaften veganen Angebot in öffentlichen Kantinen erbeten. Die FDP weiß zwar nicht zu überzeugen, aber zu belustigen: „Für uns freie Demokraten gibt es auch in Bezug auf Ernährung keine Dogmen, Gebote und Verbote.“ Zusätzlich spiele beim Essen „auch Lebensfreude eine wesentliche Rolle“. CDU/CSU setzen sich nach eigener Aussage zumindest für ein Angebot vegetarischer Gerichte ein, wollen aber keine gesetzlichen Vorgaben machen. Klar positioniert sich in dieser Frage die SPD, die sich grundsätzlich für vegetarisch-vegane Angebote in der Gemeinschaftsverpflegung ausspricht. Auch DIE LINKE fordert dies und kann sich sogar vorstellen, ein entsprechendes Angebot verpflichtend vorzusehen. Die Grünen sind ähnlich klar in ihrer Positionierung und antworten, dass veganes Essen zum alltäglichen Angebot in öffentlichen Kantinen gehören sollte.
Fazit
Natürlich findet sich stets viel Allgemeines in den Wahlprogrammen und Antworten der Parteien. Stellenweise wird es aber auch sehr spezifisch und mitunter kurios: So beschäftigt sich beispielsweise die FDP – trotz insgesamt nur weniger Sätze zum Thema Tierschutz im Wahlprogramm – ausführlich mit den deutschen Kormoranbeständen und fordert „den Flickenteppich der Kormoranverordnungen in Deutschland [zu] harmonisieren“.
Auch wenn pflanzliche Lebensweisen, Tierschutz, Ernährungs- und Agrarpolitik bei den meisten Parteien noch nicht den Stellenwert einnehmen, den sie verdienen, ist eine positive Veränderung erkennbar. Dies wird auch in einer Analyse der Wahlprogramme deutlich, die im Vergleich zu vorherigen Programmen ausführlicher und an manchen Stellen auch ambitionierter Punkte aus diesen Themenbereichen ansprechen. Bewusstseinsänderung, gerade auch auf politischer Ebene, braucht Zeit und bedarf konstanter Arbeit. ProVeg-Politik bleibt dran!
Lesen Sie hier die ungekürzten Antworten der Parteien
[Aufgrund einer missverständlichen Fragestellung wurden die Antworten auf Frage Nr. 9 in der Auswertung nicht berücksichtigt]
Antworten CDU/CSU
Antworten FDP
Antworten SPD
Antworten Die Linke
Antworten Bündnis 90/Die Grünen
Antworten V-Partei³
Antworten Tierschutzpartei