Politik

„Nicht-Fleischessen muss normal werden“ – ProVeg-Politik im Interview mit klimaretter.info

Die Auswirkungen der Produktion und des Konsums tierischer Produkte auf Umwelt, Gesundheit und Tiere sind hinlänglich bekannt – auch in der Politik. Obwohl die Handlungsmöglichkeiten für eine Reduktion vielfältig sind, werden sie unzureichend von Entscheidungstragenden wahrgenommen. Im Interview mit klimaretter.info sprach Till Strecker von ProVeg über politische Handlungsfelder und zeigte die Berührungspunkte von Politik und pflanzlicher Ernährung auf.

Gesundheit, Tierschutz, Klima und Umwelt – der Konsum tierischer Produkte wirkt sich auf vielen Ebenen aus. Im Verlauf des Interviews mit klimaretter.info zeigte Till Strecker, ehemalige Leitung ProVeg-Politik, Möglichkeiten im politischen Bereich auf, diesen zu reduzieren. Für eine Wende in der Ernährung „brauchen [wir] ein gut abgestimmtes Gesamtkonzept und einen Paradigmenwechsel in der Politik“, erklärte Strecker im Gespräch.

Marktsteuerung zur Reduzierung des Fleischkonsums

Um die Nachfrage nach tierischen Produkten zu senken, wäre es ein denkbares ökonomisches Instrument, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für tierische Produkte von 7 % an den regulären Steuersatz von 19 % anzugleichen. „Eine höhere Mehrwertsteuer ist ein Element, das leicht umzusetzen ist“, so Strecker. Zusätzlich schlug jüngst das Umweltbundesamt (UBA) vor, die daraus resultierenden höheren Steuereinnahmen zu verwenden, um den Steuersatz für pflanzliche Produkte zu reduzieren. 1Umweltbundesamt (2017): Für Klima und Umwelt: Tierische Produkte höher besteuern. Online unter https://www.umweltbundesamt.de/fuer-klima-umwelt-tierische-produkte-hoeher#textpart-2 [01.02.2017]
Laut Strecker eine gute Idee: „Das könnte dafür sorgen, dass sich Leute weiterhin gutes Essen und vielleicht auch hochwertige Produkte leisten können.“

Aufklärung über die pflanzliche Lebensweise verstärken

Allein ökonomische Instrumente reichen aber nicht aus. Als nächster Schritt sei eine „Normalisierung des Nicht-Fleischessens“ notwendig, meinte Strecker. Eine Stellschraube, an der vonseiten der Politik gedreht werden kann, ist die Informations- und Aufklärungsarbeit. Dazu gehört, das Veggie-Angebot in öffentlichen Kantinen, die Aufklärung über die pflanzliche Lebensweise und die Bildung im Bereich alternative Ernährungsformen zu stärken. „Viele Verbraucher lehnen es […] ab, dass Tiere für sie gequält oder getötet werden. Aber es fehlt ihnen an Anreizen und Informationen, wie sie am besten auf eine vegetarisch-vegane Ernährung umsteigen“, so Strecker.

Angst vor einer Bevormundung der Verbraucher:innen unbegründet

Die Möglichkeiten sind gegeben, trotzdem fehlt es an der Umsetzung vonseiten der Gesetzgebung. Denn als problematisch wird im Bereich der Ernährungspolitik die große Angst vor einer Bevormundung der Konsumierenden gesehen, die jedoch oft unbegründet und überzogen ist: „Niemand verlangt ein Gesetz, das festlegt, dass nur noch sonntags Fleischessen erlaubt ist“, erklärte Strecker. „Aber diese Angst vor Bevormundung wird schon formuliert, wenn man nur fordert, dass die Aussage ‚Fleisch ist eine tolle Sache‘ nicht mehr gemacht wird.“ Der Staat habe die Aufgabe, Regeln aufzustellen, um auf das Leben der Menschen im positiven Sinn Einfluss zu nehmen. Bei einem durchschnittlichen Fleischverzehr, der doppelt so hoch ist wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen, sei dies aber nicht der Fall.

Erste Schritte in die richtige Richtung

Immerhin wurde im April 2016 von den Verbraucherschutzminister:innen der Länder eine quasi rechtsverbindliche Definition der Begriffe „vegan“ und „vegetarisch“ beschlossen. Diese wurde von einer Arbeitsgruppe der Länder zusammen mit ProVeg und der Lebensmittelwirtschaft ausgearbeitet.2Verbraucherschutzministerkonferenz VSMK 2016 in Nordrhein-Westfalen (2016): Ergebnisprotokoll der 12. Verbraucherschutzministerkonferenz am 22. April 2016 in Düsseldorf. TOP 20. S. 33. Online unter https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/documents/Endgueltiges_Protokoll_VSMK_2016.pdf[01.02.2017] Dennoch besteht auch in diesem Bereich viel Handlungsbedarf – besonders auf europäischer Ebene. Eine europaweite, rechtsverbindliche Definition würde viele Detailfragen klären, „zum Beispiel nach der Relevanz tierischer Verarbeitungshilfsstoffe“, so Strecker. Zwar werde die Definition von den Lebensmittelüberwachungsbehörden bereits bundesweit angewandt, das letzte Wort werde aber in Brüssel gesprochen: „Jetzt ist die EU-Kommission in der Verantwortung, aktiv zu werden und möglichst dieser Formulierung Rechtskraft zu verleihen.“

Lesen Sie hier das komplette Interview, das klimaretter.info mit Till Strecker geführt hat.

Quellen

Quellen
1 Umweltbundesamt (2017): Für Klima und Umwelt: Tierische Produkte höher besteuern. Online unter https://www.umweltbundesamt.de/fuer-klima-umwelt-tierische-produkte-hoeher#textpart-2 [01.02.2017]
2 Verbraucherschutzministerkonferenz VSMK 2016 in Nordrhein-Westfalen (2016): Ergebnisprotokoll der 12. Verbraucherschutzministerkonferenz am 22. April 2016 in Düsseldorf. TOP 20. S. 33. Online unter https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/documents/Endgueltiges_Protokoll_VSMK_2016.pdf[01.02.2017]

Letztes Update: 06.02.2017

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