Politik

Die Benennung pflanzlicher Milchprodukte

Egal ob Hafer, Soja oder Reis: pflanzliche Milchalternativen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es sind längst nicht mehr nur Veganer:innen, die zu den Pflanzendrinks greifen. Eine Vielzahl an Menschen bevorzugt aus gesundheitlichen, geschmacklichen oder ethischen Gründen pflanzliche Alternativen gegenüber den tierischen Pendants. Die europarechtliche Lage zur Benennungspraxis veganer und vegetarischer Milchprodukte erschwert den Einkauf dieser Lebensmittel jedoch erheblich.

Hafer-, Soja- oder Reismilch werden Konsumierende im Supermarkt nämlich nicht finden. Die Bezeichnung „Milch“ ist ausschließlich Produkten vorbehalten, die „durch ein- oder mehrmaliges Melken“ aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren gewonnen werden. Das legt der Artikel 78 und der Anhang VII Teil III der EU-Verordnung Nr. 1308/2013 fest. Das europäische Recht sieht des Weiteren vor, dass Bezeichnungen wie „Butter“, „Käse“ oder „Joghurt“ nur von Produkten getragen werden dürfen, die aus Milch gewonnen werden. Diese sind für pflanzliche Alternativen somit ebenso tabu.1Europäisches Parlament und Rat (2013): Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007, Online unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32013R1308 [27.03.2019]

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Bezüglich der Benennungspraxis pflanzlicher Milchprodukte kam es in der Vergangenheit bereits zu juristischen Auseinandersetzungen. Die Klage gegen die Firma „TofuTown“ im Jahr 2017 ist dabei eines der prominentesten Beispiele. Das Unternehmen vertrieb vegane und vegetarische Produkte, die unter anderem Namen wie „Tofubutter“ oder „Pflanzenkäse“ trugen. Der „Verband sozialer Wettbewerb“ hielt den Vertrieb genannter Lebensmittel für wettbewerbswidrig und verklagte das Unternehmen auf Unterlassung. Der Fall landete am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Das Ergebnis des Rechtsstreits war bedauerlich, aufgrund der restriktiven Rechtslage aber erwartbar: Der EuGH erklärte Begriffe wie beispielsweise „Sojamilch“ oder „veganer Käse“ für pflanzliche Alternativprodukte als weiterhin unzulässig. Selbst dann, wenn die vegane oder vegetarische Eigenschaft des Produktes eindeutig kenntlich gemacht wird. 2EuGH (2017): Urteil vom 14.06.2017, Art. 78 Abs. 2 und Anhang VII Teil III EU-VO Nr. 1308/2013, § 3a UWG, Online unter http://www.damm-legal.de/eugh-sojaerzeugnis-darf-nicht-als-sojamilch-bezeichnet-werden [27.03.2019]

„Milchbegriffe“ kommunizieren wichtige Information

Bekannte Bezeichnungen wie „Milch“, „Käse“ und Co. transportieren jedoch eine Vielzahl von Informationen an die Verbraucherinnen und Verbraucher. Eigenschaften wie Verwendung, Textur oder Geschmack der Alternativprodukte werden durch „Milchbegriffe“ auf den ersten Blick erfassbar. Gleichzeitig besteht keine Gefahr der Irreführung, da die eindeutige Kenntlichmachung, dass es sich um ein veganes oder vegetarisches Produkt handelt, im Interesse aller Beteiligten ist. Die pflanzliche Eigenschaft ist sogar oftmals ein klares Verkaufsargument. Eine Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes bestätigt hinzukommend, dass nur sehr wenige Konsumierende tierische Produkte mit ihren pflanzlichen Pendants verwechseln. 3forsa im Auftrag des vzbv (2015): Umfrage zur Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln. Online unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2017/02/15/meinungen_zur_kennzeichnung_von_lebensmitteln_080615.pdf [27.03.2019]

Mit Verbraucherschutz hat das Urteil4Gerichtshof der Europäischen Union (2017): Urteil in der Rechtssache C-422/16. Online unter https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-06/cp170063de.pdf [27.03.2019] des EuGH somit wenig zu tun. Dieser hat lediglich die entsprechende EU-Verordnung strikt ausgelegt und deren wirtschaftspolitische Motivation bestätigt, denn in der Verordnung heißt es einleitend, dass exklusive Produktbezeichnungen essentiell für die Wettbewerbsfähigkeit von Tiermilcherzeugnissen sind.5Europäisches Parlament und Rat (2013):Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007, Online unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R1308&from=DE [27.03.2019] Das Urteil widerspricht damit allerdings deutlich dem Verständnis der Konsumierenden.

„Kokosmilch“ und „Fleischkäse“ erlaubt

Produzierende von veganen Milchprodukten müssen kreativ werden: „Sojagurt“ statt „veganer Joghurt“, „Veggie Schmelz Scheiben“ statt „veganer Scheibenkäse“ und „Hafercreme Cuisine“ statt „vegane Kochsahne“ sind nur einige Beispiele für den unternehmerischen Einfallsreichtum.
Eine Vielzahl an Produkten darf ihre „Milchbezeichnung“ jedoch behalten und steht auf der Ausnahmenliste im Beschluss 2010/791/EU der Kommission. Es handelt sich dabei um Lebensmittel „deren Art aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt ist“ oder bei denen „die Bezeichnung eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft verwandt werden“. 6EU-Kommission (2010): Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2010 zur Festlegung des Verzeichnisses der Erzeugnisse gemäß Anhang XII Abschnitt III Nummer 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates. Online unter https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:336:0055:0059:DE:PDF [27.03.2019] Neben einer Reihe pflanzlicher Vertreter, wie der Kokosmilch oder der Erdnussbutter, finden sich dort auch einige tierische Lebensmittel, wie der Fleischkäse oder das Butterschnitzel. Da die Ausnahmenliste allerdings seit Jahren nicht aktualisiert wurde, ist es aus Sicht der Verbraucher:innen nicht mehr logisch nachvollziehbar, welche Produktnamen zulässig sind und welche nicht.

„Sojamilch“ auf die Ausnahmeliste

Dass es sich bei Fleischkäse ebenso wenig um ein tiermilchiges Produkt handelt, wie bei „Sojamilch“ oder „veganem Käse“ steht für die Mehrzahl der Verbraucher:innen außer Frage. Hinzukommend gehören pflanzliche Milchalternativen mittlerweile zum Standardrepertoire vieler europäischer Küchen. Im alltäglichen Sprachgebrauch haben sich dabei Begriffe wie „Sojamilch“ oder „veganer Käse“ durchgesetzt.
Die EU-Kommission sollte demnach auf die Erweiterung der Ausnahmenliste, die nun schon seit fast 10 Jahren unverändert besteht, hinwirken. In einem ersten Schritt sollte die weit verbreitete und seit langem im Sprachgebrauch etablierte Bezeichnung „Sojamilch“ für pflanzliche Sojadrinks zulässig gemacht werden. In der Zukunft muss in einem zweiten Schritt dringend über die Aufnahme weiterer Bezeichnungen und die kritische Evaluierung des Bezeichnungsschutzes für Tiermilchprodukte nachgedacht werden.

Quellen

Quellen
1 Europäisches Parlament und Rat (2013): Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007, Online unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32013R1308 [27.03.2019]
2 EuGH (2017): Urteil vom 14.06.2017, Art. 78 Abs. 2 und Anhang VII Teil III EU-VO Nr. 1308/2013, § 3a UWG, Online unter http://www.damm-legal.de/eugh-sojaerzeugnis-darf-nicht-als-sojamilch-bezeichnet-werden [27.03.2019]
3 forsa im Auftrag des vzbv (2015): Umfrage zur Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln. Online unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2017/02/15/meinungen_zur_kennzeichnung_von_lebensmitteln_080615.pdf [27.03.2019]
4 Gerichtshof der Europäischen Union (2017): Urteil in der Rechtssache C-422/16. Online unter https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-06/cp170063de.pdf [27.03.2019]
5 Europäisches Parlament und Rat (2013):Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007, Online unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R1308&from=DE [27.03.2019]
6 EU-Kommission (2010): Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2010 zur Festlegung des Verzeichnisses der Erzeugnisse gemäß Anhang XII Abschnitt III Nummer 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates. Online unter https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:336:0055:0059:DE:PDF [27.03.2019]

Letztes Update: 11.04.2019

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