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Ineffiziente Landnutzung: enormer Flächenverbrauch durch tierische Landwirtschaft

Futtermittelanbau

80 % der landwirtschaftlichen Fläche wird für die Erzeugung tierischer Produkte genutzt (Bild: unsplash.com/no_one_cares)

Fruchtbarer Boden ist ein kostbares Gut und unsere landwirtschaftlichen Flächen sind begrenzt. Dennoch nutzen wir einen Großteil davon für den Anbau von Futtermitteln statt für Pflanzen für die menschliche Ernährung. Beim Vergleich von Kalorien- und Proteinertrag pro Fläche wird die ineffiziente Nahrungsmittelerzeugung besonders deutlich.

Landnutzung: kostbare Ackerflächen für den Anbau von Futtermitteln

Etwa die Hälfte der bewohnbaren Fläche der Erde wird für die Landwirtschaft genutzt.1Our World in Data (2019): Land Use. OurWorldInData.org. Online unter: https://ourworldindata.org/land-use [16.11.2022] Rund 80 % dieser landwirtschaftlichen Fläche, eine Fläche so groß wie Nord- und Südamerika zusammen, wird für die Erzeugung tierischer Produkte beansprucht – und das, obwohl sie lediglich 18 % unserer Kalorien und 37 % unserer Proteine liefern.2Poore, J. & T. Nemecek (2018): Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360(6392), 987–992. doi:10.1126/science.aaq0216

Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird überwiegend als Weideland genutzt, der Rest zur Erzeugung von Tierfutter. Ein großer Teil des Ackerlandes könnte für Nutzpflanzen verwendet werden, die direkt auf unseren Tellern landen. Im Moment werden etwa ein Drittel des gesamten Getreides und zwei Drittel der Sojabohnen, des Maises und der Gerste an Tiere verfüttert.3Willett, W., J. Rockström, B. Loken, et al. (2019): Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. The Lancet 393(10170), 447–492.

Landnutzung
Ein Großteil der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche wird für den Anbau von Futtermitteln verwendet (Bild: ProVeg)

Woher kommt das Soja für Fleischalternativen?

„Für dein Sojaschnitzel wird der Regenwald gerodet!“ Wer lieber zu Veggie-Alternativen statt zu Fleisch greift, hat diesen Satz womöglich schon einmal gehört. Doch was ist dran – brennen für Soja in Tofu und Co. wirklich die tropischen Wälder?

In Deutschland werden 50 % des Ackerlandes für Futtermittel verwendet

Insbesondere Länder mit einem hohen Konsum tierischer Produkte nutzen einen Großteil der Ackerfläche zur Produktion von Futtermitteln – Fläche, die auch direkt für den Anbau menschlicher Nahrung genutzt werden könnte. In Deutschland liegt dieser Anteil bei etwa 50 %.4Umweltbundesamt (2017): Quantifying the land footprint of Germany and the EU using a hybrid accounting model. Dessau-Roßlau. S. 39

Die Landnutzung für Futtermittel ist einer der maßgeblichen Gründe dafür, dass Deutschland seinen Bedarf an Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und anderen Feldfrüchten nicht selbst decken kann und somit große Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse importieren muss. Erzeugnisse, deren Anbau eine zusätzliche Fläche benötigt, die etwa doppelt so groß ist wie die Fläche, die in Deutschland zur Verfügung steht.5Umweltbundesamt (2017): Quantifying the land footprint of Germany and the EU using a hybrid accounting model. Dessau-Roßlau. S. 39

Begriffsklärung: Was ist landwirtschaftliche Nutzfläche?

In der Landwirtschaft wird zwischen Ackerland und Weideland unterschieden. Ackerland sind Flächen, die mit Kulturpflanzen bebaut sind. Dazu zählen Pflanzen für den menschlichen Verzehr, für Futtermittel und für industrielle Zwecke wie Bioethanol. Weideland meint die Flächen, auf denen sogenannte Nutztiere stehen, die sich vorwiegend von deren Vegetation ernähren. Beides zusammen bezeichnen wir als landwirtschaftliche Nutzfläche.

Unsere Nahrungsmittelproduktion ist ressourcenintensiv

Von Anbau und Ernte über Transport bis hin zur Verarbeitung: An jeder Stelle benötigt die Herstellung unserer Lebensmittel Wasser, Energie und andere Ressourcen. Das bedeutet: Je länger die Wertschöpfungskette, desto mehr Ressourcen wurden wahrscheinlich bei der Herstellung eines Produkts verbraucht. Das spiegelt sich besonders deutlich in tierischen Produkten wider. In der Aufzucht der Tiere geht eine beträchtliche Menge an Energie verloren, die sie für ihren Stoffwechsel und die Bewegung verbrauchen.

ProVeg-Report: Chancen für alternative Proteine in der Landwirtschaft

Der Anbau alternativer Eiweißpflanzen birgt riesiges Potenzial, um landwirtschaftliche Betriebe zukunftsfähig zu machen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. ProVeg hat mit 20 internationalen Agrar-Organisationen gesprochen und gefragt: Was braucht es dafür?

Der Weg über Tiere ist ineffizient

Um global 240 Millionen Tonnen tierische Lebensmittel zu produzieren, mussten im Jahr 2011 insgesamt 4 Milliarden Tonnen Futtermittel eingesetzt werden.6Alexander, P., C. Brown, A. Arneth, et al. (2017): Losses, inefficiencies and waste in the global food system. Agricultural Systems 153 (Supplement C), 190–200. doi:10.1016/j.agsy.2017.01.014 Im Durchschnitt werden nur 8 % der pflanzlichen Proteine in tierische Proteine umgewandelt.7 Shepon, A., G. Eshel, E. Noor, et al. (2016): Energy and protein feed-to-food conversion efficiencies in the US and potential food security gains from dietary changes. Environmental Research Letters 11(10), IOP Publishing, 105002. doi:10.1088/1748-9326/11/10/105002 Das bedeutet: Für 8 g tierisches Protein auf unserem Teller musste dem Tier vorab im Schnitt 100 g pflanzliches Protein (zum Beispiel aus Soja, Mais, Getreide oder Gras) gefüttert werden.

Ganz ähnlich sieht es mit der Nahrungsenergie aus: Nur 55 % der global verfügbaren Kalorien aus Kulturpflanzen dienen der Ernährung des Menschen. 36 % werden genutzt, um Tiere in der Massentierhaltung zu füttern. Der Rest wird für industrielle Zwecke verwendet.8Cassidy, E. S., P. C. West, J. S. Gerber, et al. (2013): Redefining agricultural yields: from tonnes to people nourished per hectare. Environmental Research Letters 8(3), 034015. doi:10.1088/1748-9326/8/3/034015

Landnutzung pflanzliche vs tierische Proteine
Nutzpflanzen für den Direktverzehr anzubauen, ist effektiver als der Umweg über Tiere (Bild: ProVeg)

Landwirtschaftliche Flächen verdrängen komplexe Ökosysteme

Aber was ist eigentlich das Problem mit ineffizienter Landnutzung – haben wir nicht genug landwirtschaftliche Flächen? Nein. Fruchtbarer Boden ist ein kostbares Gut, das durch Erosion, Verschmutzung und Versiegelung zunehmend knapper wird. Hinzu kommt, dass durch den wachsenden Flächenbedarf kostbare Ökosysteme wie Wälder zerstört werden.

Ein globaler Wandel hin zu einer pflanzlichen Ernährung könnte bis zu 30 Milliarden Hektar einsparen – eine Fläche so groß wie Afrika. Diese Flächen könnten beispielsweise renaturiert werden und so dem Verlust kritischer Ökosysteme entgegenwirken9Poore, J. & T. Nemecek (2018): Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360(6392), 987–992. doi:10.1126/science.aaq0216 – und damit auch der Klimakrise.10Ritchie, H. (2021): What are the carbon opportunity costs of our food? Our World in Data. Online unter: https://ourworldindata.org/carbon-opportunity-costs-food#:~:text=Vegan%20diet%3A%20In%20a%20hypothetical,tonnes%20of%20additional%20CO2. [29.04.2022] 11Hayek, M. N., H. Harwatt, W. J. Ripple, et al. (2021): The carbon opportunity cost of animal-sourced food production on land. Nature Sustainability 4(1), 21–24. doi:10.1038/s41893-020-00603-4 12 Kalt, G., A. Mayer, H. Haberl, et al. (2021): Exploring the option space for land system futures at regional to global scales: The diagnostic agro-food, land use and greenhouse gas emission model BioBaM-GHG 2.0. Ecological Modelling 459 109729. doi:10.1016/j.ecolmodel.2021.109729 Würden sich alle Menschen für rein pflanzliche Lebensmittel entscheiden, könnten 10 Milliarden Menschen mit deutlich weniger tiefgreifenden Umwelteingriffen ernährt werden.13 Cassidy, E. S., P. C. West, J. S. Gerber, et al. (2013): Redefining agricultural yields: from tonnes to people nourished per hectare. Environmental Research Letters 8(3), 034015. doi:10.1088/1748-9326/8/3/034015 14Erb, K.-H., C. Lauk, T. Kastner, et al. (2016): Exploring the biophysical option space for feeding the world without deforestation. Nature Communications 7 11382. doi:10.1038/ncomms11382 15Gerten, D., V. Heck, J. Jägermeyr, et al. (2020): Feeding ten billion people is possible within four terrestrial planetary boundaries. Nature Sustainability 3(3), 200–208. doi:10.1038/s41893-019-0465-1

Quellen

Quellen
1 Our World in Data (2019): Land Use. OurWorldInData.org. Online unter: https://ourworldindata.org/land-use [16.11.2022]
2, 9 Poore, J. & T. Nemecek (2018): Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360(6392), 987–992. doi:10.1126/science.aaq0216
3 Willett, W., J. Rockström, B. Loken, et al. (2019): Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. The Lancet 393(10170), 447–492.
4, 5 Umweltbundesamt (2017): Quantifying the land footprint of Germany and the EU using a hybrid accounting model. Dessau-Roßlau. S. 39
6 Alexander, P., C. Brown, A. Arneth, et al. (2017): Losses, inefficiencies and waste in the global food system. Agricultural Systems 153 (Supplement C), 190–200. doi:10.1016/j.agsy.2017.01.014
7 Shepon, A., G. Eshel, E. Noor, et al. (2016): Energy and protein feed-to-food conversion efficiencies in the US and potential food security gains from dietary changes. Environmental Research Letters 11(10), IOP Publishing, 105002. doi:10.1088/1748-9326/11/10/105002
8 Cassidy, E. S., P. C. West, J. S. Gerber, et al. (2013): Redefining agricultural yields: from tonnes to people nourished per hectare. Environmental Research Letters 8(3), 034015. doi:10.1088/1748-9326/8/3/034015
10 Ritchie, H. (2021): What are the carbon opportunity costs of our food? Our World in Data. Online unter: https://ourworldindata.org/carbon-opportunity-costs-food#:~:text=Vegan%20diet%3A%20In%20a%20hypothetical,tonnes%20of%20additional%20CO2. [29.04.2022]
11 Hayek, M. N., H. Harwatt, W. J. Ripple, et al. (2021): The carbon opportunity cost of animal-sourced food production on land. Nature Sustainability 4(1), 21–24. doi:10.1038/s41893-020-00603-4
12 Kalt, G., A. Mayer, H. Haberl, et al. (2021): Exploring the option space for land system futures at regional to global scales: The diagnostic agro-food, land use and greenhouse gas emission model BioBaM-GHG 2.0. Ecological Modelling 459 109729. doi:10.1016/j.ecolmodel.2021.109729
13 Cassidy, E. S., P. C. West, J. S. Gerber, et al. (2013): Redefining agricultural yields: from tonnes to people nourished per hectare. Environmental Research Letters 8(3), 034015. doi:10.1088/1748-9326/8/3/034015
14 Erb, K.-H., C. Lauk, T. Kastner, et al. (2016): Exploring the biophysical option space for feeding the world without deforestation. Nature Communications 7 11382. doi:10.1038/ncomms11382
15 Gerten, D., V. Heck, J. Jägermeyr, et al. (2020): Feeding ten billion people is possible within four terrestrial planetary boundaries. Nature Sustainability 3(3), 200–208. doi:10.1038/s41893-019-0465-1

Letztes Update: 22.12.2022

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