Politik
Bundestag diskutiert Ursachen von Zoonosen
Clara Hagedorn 3. Juni 2020
Wissenschaft und Zivilgesellschaft warnen schon lange vor Massentierhaltung und der damit in Verbindung stehenden Umweltzerstörung als Ursachen für Zoonosen. Jetzt befasste sich auch der Bundestag mit dem Thema und diskutierte im öffentlichen Fachgespräch des Umweltausschusses über die Entstehung, Erforschung und Prävention von Zoonosen.
Bisher fokussiert die Politik den Wildtierhandel
Im öffentlichen Fachgespräch am 13. Mai 2020 wurden Abgeordnete aus allen Fraktionen von namhaften Sachverständigen beraten:
- Prof. Dr. Franz Josef Conraths, Institut für Epidemiologie, Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
- Dr. Arnulf Köhncke, WWF Deutschland
- Prof. Dr. Wim van der Poel, Wageningen Bioveterinary Research
- Prof. Isabella Eckerle, Centre for Emerging Viral Diseases, Universitätsklinik der Universität Genf
- Dr. Sandra Altherr, Pro Wildlife
- Prof. Dr. Simone Sommer, Universität Ulm, Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik
Der Fokus der Ausschusssitzung, sowohl in den Erläuterungen der Fachleute als auch in den Nachfragen der Abgeordneten, lag auf legalem und illegalem Wildtierhandel als Ursache für Zoonosen.1 Deutscher Bundestag (2020): Experten: Bei Zoonosen Mensch, Tier und Umwelt in den Blick nehmen. Online unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw20-pa-umwelt-zoonosen-694096 [03.06..2020] Die Thematik wird außerdem politisch diskutiert: In der Sitzung wies ein Abgeordneter darauf hin, dass ein Verbot bereits Gegenstand eines aktuellen Antrags der Großen Koalition sei.
In der Vergangenheit gab es schon erfolgreiche EU-Importverbote, wie der Import von Wildvögeln als Reaktion auf die Vogelgrippe, wonach der weltweite Handel mit Wildvögeln um 90 % zurückging.2NABU (2017): Neue Studie bestätigt: EU-Importverbot für Wildvögel zeigt Wirkung. Online unter https://www.nabu.de/news/2017/12/23581.html [03.06.2020]
Umwelt, Tiere und Menschen sollen ganzheitlich betrachtet werden
Allerdings wurde von Seiten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch mehrfach die Notwendigkeit eines sogenannten „One Health“-Ansatzes betont, der Umwelt, Tiere und Menschen zusammen begreift und somit Umweltzerstörung auch als Angriff auf den Menschen ansieht.3Centers for Disease Control and Prevention: One Health Basics. Online unter https://www.cdc.gov/onehealth/basics/index.html [03.06.2020]
So wurde auf Lebensraumverlust aufgrund von Regenwaldabholzung für den Anbau von Palmöl-, Zuckerrohr- und Sojamonokulturen für den Export hingewiesen. Im Zusammenhang damit stehe das Konsumverhalten von Europäerinnen und Europäern, weshalb eine Informationskampagne des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) als sinnvoll erachtet werde. Diese solle beispielsweise über die hiesige Billigproduktion von Fleisch informieren, die auf Futtermittelimporte wie Soja angewiesen ist, die wiederum in Latein- und Südamerika intakte Ökosysteme zerstören.
Weitere Handlungsempfehlungen beinhalteten entwaldungsfreie Lieferketten auf dem deutschen und europäischen Markt sowie Konjunkturprogramme an den Erhalt von Biodiversität zu knüpfen.
Auch die hiesige Massentierhaltung birgt Gefahren
Zusätzlich zu Fragen in Bezug auf Wildtierhandel, Veränderungen der Landnutzung und Umweltzerstörung wurde auch speziell auf die hiesige Nutztierhaltung hingewiesen. Auf Nachfrage eines Abgeordnetens hin, inwiefern diese Gefahren berge, hieß es, dass bestimmte Haltungsbedingungen, beispielsweise viele Tiere auf engem Raum zu halten, das Risiko von Zoonosen erhöhten. Grundsätzlich bestünde aber immer dort Gefahr, wo Tiere gehalten würden.
Den Expertinnen und Experten zufolge bietet also besonders intensive Tierhaltung gute Bedingungen für die Entstehung von Zoonosen. ProVeg setzt sich schon seit Jahren für einen Rückgang der Tierbestände ein.
Pandemien sind meist menschengemacht
Im April 2020 hatte schon das Bundesumweltministerium (BMU) auf den Zusammenhang zwischen Naturzerstörung und Pandemien aufmerksam gemacht.4BMU (2020): Schulze: Weltweiter Naturschutz kann Risiko künftiger Seuchen verringern. Online unter https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-weltweiter-naturschutz-kann-risiko-kuenftiger-seuchen-verringern/ [03.06.2020] Im Fachgespräch gab es erneut klare Signale von Wissenschaft und Zivilgesellschaft über die Rolle von Konsumverhalten, Massentierhaltung und Umweltzerstörung bei der Entstehung von Zoonosen.
Zuletzt fand Prof. Dr. Sommer deutliche Worte: „Die Corona-Krise bestätigt, dass die […] Menschheit an einem Wendepunkt steht: Sie muss die verbleibenden Naturräume bewahren. Umwelt- und Artenschutz [müssen] endlich den notwendigen Stellenwert bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bekommen, der im Sinne von One Health […] notwendig ist”.5Simone Sommer (2020): Pandemien sind menschengemacht – Wildtierhandel, Massentierhaltung und Naturzerstörung als Ursachen für Zoonosen. Online unter https://www.bundestag.de/resource/blob/695448/247139a1d0a72100474ff91b0467245a/19-16-344-B_Sommer-data.pdf [03.06.2020]
ProVeg fordert ein schnelles Vorgehen entlang der Empfehlungen der Expertinnen und Experten. Nur durch einen konsequenten Abbau der Tierbestände, wirkungsvolle Maßnahmen zur Ernährungswende sowie Aufklärungskampagnen über eine gesunde und nachhaltige Ernährung kann zukünftigen Pandemien vorgebeugt werden.
Quellen[+]
↑1 | Deutscher Bundestag (2020): Experten: Bei Zoonosen Mensch, Tier und Umwelt in den Blick nehmen. Online unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw20-pa-umwelt-zoonosen-694096 [03.06..2020] |
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↑2 | NABU (2017): Neue Studie bestätigt: EU-Importverbot für Wildvögel zeigt Wirkung. Online unter https://www.nabu.de/news/2017/12/23581.html [03.06.2020] |
↑3 | Centers for Disease Control and Prevention: One Health Basics. Online unter https://www.cdc.gov/onehealth/basics/index.html [03.06.2020] |
↑4 | BMU (2020): Schulze: Weltweiter Naturschutz kann Risiko künftiger Seuchen verringern. Online unter https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-weltweiter-naturschutz-kann-risiko-kuenftiger-seuchen-verringern/ [03.06.2020] |
↑5 | Simone Sommer (2020): Pandemien sind menschengemacht – Wildtierhandel, Massentierhaltung und Naturzerstörung als Ursachen für Zoonosen. Online unter https://www.bundestag.de/resource/blob/695448/247139a1d0a72100474ff91b0467245a/19-16-344-B_Sommer-data.pdf [03.06.2020] |
Über die Autorin
Clara Hagedorn
Referentin Politik