Corporate Engagement
Planetary-Health-Mensa 2023: 5 wegweisende Konzepte für den Außer-Haus-Markt
Elizabeth Buchheim 5. Oktober 2023
Was heute in der Hochschulmensa auf den Tisch kommt, bestimmt morgen die Nachfrage in Betriebsrestaurants. Die Planetary-Health-Mensen zeigen: Die Studierenden erwarten klimafreundliche, gesunde und nachhaltige Verpflegung. Betriebsgastronomie aufgepasst!
ProVeg kürt erneut die 5 nachhaltigsten Mensen
Die Esskultur von morgen wird an Universitäten und Hochschulen bereits heute gelebt. Beispiel Nachhaltigkeit: Früher als alle anderen Segmente der Branche hat die Hochschulgastronomie diese Ausrichtung angenommen. Die Nestlé Studie 2023 „So nachhaltig i(s)st Kantine und Mensa“ zeigt: An 86 % der Mensen wird Nachhaltigkeit mittlerweile stark bis sehr stark umgesetzt.1So nachhaltig i(s)st Kantine und Mensa (2023): Eine Nestlé-Studie in Zusammenarbeit mit gv-praxis und BTG Group. Online unter: https://www.nestle.de/sites/g/files/pydnoa391/files/2023-03/Download_Nestle-Studie_2023_0.pdf [07.08.2023]
Für die diesjährige Auszeichnung „Planetary-Health-Mensa“ haben sich 14 Standorte beworben, nur 5 schafften es am Ende in die engere Auswahl und freuen sich dieses Jahr über die Auszeichnung als Planetary-Health-Mensa. Die Gemeinschaftsgastronomie spielt im Ernährungswandel eine zentrale Rolle und die Mensen machen es der Branche vor.
Bewertungskriterien und Methodik
Die Online-Umfrage fand vom 26.06. bis 21.07.2023 statt. Die Fragen waren an die Grundsätze der Planetary Health Diet der EAT-Lancet-Kommission von 2019 angelehnt. Die Planetary Health Diet stuft Lebensmittel tierischen Ursprungs als optional – nicht erforderlich, aber zulässig – ein. Dabei kann der Anteil tierischer Produkte auf dem täglichen Speiseplan zwischen 0 % und maximal 16 % variieren.2 EAT-Lancet Commission (2019): Healthy Diets From Sustainable Food Systems. Summary Report of the EAT-Lancet Commission. Online unter: https://eatforum.org/content/uploads/2019/07/EAT-Lancet_Commission_Summary_Report.pdf S. 10 [03.10.2023]
Bewertet wurden ganze Standorte, nicht einzelne Mensen. Die Teilnahme an der Erhebung war freiwillig, die Auswertung basierte auf Selbstauskunft. Zur Kontrolle wurde bei den besten 5 Standorten zusätzlich ein Abgleich der Speisepläne mit den Angaben im Fragebogen durchgeführt.
Die EAT-Lancet-Kommission betont, dass pflanzliche Lebensmittel bevorzugt werden sollten.3EAT-Lancet Commission (2019): Healthy Diets From Sustainable Food Systems. Summary Report of the EAT-Lancet Commission. Online unter: https://eatforum.org/content/uploads/2019/07/EAT-Lancet_Commission_Summary_Report.pdf S. 3. [03.10.2023] Aus diesem Grund lag der Fokus dieser Kategorie auf dem rein pflanzlichen Angebot. Untersucht wurden:
- der Anteil veganer Speisen im Verhältnis zum Gesamtangebot (Durchschnittswert repräsentativ für alle Einrichtungen des Standortes; stufenlose Hochrechnung des prozentualen Anteils)
- Verfügbarkeit und Preis pflanzlicher Milchalternativen
- ob und inwiefern der Anteil rein pflanzlicher Optionen in den letzten 12 Monaten erhöht wurde
- ob eine vegane hochschulgastronomische Einrichtung betrieben wird
Eine Reduktion tierischer Zutaten ist neben einem breiten pflanzlichen Angebot ein wichtiger Schritt hin zu einem planetenfreundlichen Konzept. In der Kategorie „Reduktion“ wurde erfasst, wie hoch der Anteil von Speisen mit tierischen Lebensmitteln am Gesamtangebot ist und welche tierischen Produkte in welchem Umfang reduziert werden.
Diese beiden Aspekte werden im Report der EAT-Lancet-Kommission zwar nicht berücksichtigt, erfahrungsgemäß sind Kennzeichnung, Nudging, Durchführung von Aktionen und Preisgestaltung aber wichtige Treiber der Akzeptanz von Speisen und somit auch des Ernährungswandels. Darüber hinaus spiegeln solche Maßnahmen auch die strategische Ausrichtung der Gastronomie hinsichtlich Nachhaltigkeit wider, etwa wenn die klimafreundlichen Gerichte konsequent günstiger sind oder wenn die ökologischen Vorteile der Speisen deutlich kommuniziert werden.
Auch dieser Aspekt kommt im EAT-Lancet-Report nicht vor. Das Know-how und die Einstellung der Köch:innen sind jedoch für den Erfolg und die Akzeptanz der Essensangebote und somit für die erfolgreiche Ernährungstransformation von Bedeutung. Untersucht wurde, ob die kulinarischen Teams regelmäßig in der veganen Küche geschult werden.
Für einzigartiges Engagement konnte die Jury Extrapunkte vergeben. Mit der Vergabe der Extrapunkte wurde gewährleistet, dass die Vielfalt der Konzepte adäquat Berücksichtigung fand. Folgende Aspekte wurden zusätzlich honoriert:
- im Vergleich zu den Mitbewerbern: besonders hohe Verkaufszahlen veganer Speisen, besonders hohe Reduktionszahlen bezüglich der Tierprodukte, besonders hohes Engagement hinsichtlich nicht-kulinarischer Nachhaltigkeitsmaßnahmen
- besonders rasante Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr, etwa ein Sprung von einem pflanzlichen Gericht auf 3 pflanzliche Gerichte pro Woche
- besondere Marketing-Aktivitäten, etwa monatliche Aktionen
innovative Lösungen, etwa hauseigene Produktionseinrichtungen
Personen- und unternehmensbezogene Daten sowie persönliche Erfahrungswerte wurden bei der Punktevergabe nicht berücksichtigt.
Studierendenwerk Berlin: unschlagbar pflanzlich
Das Studierendenwerk Berlin hat mit Abstand die meisten veganen Optionen im täglichen Angebot: 84 % der Hauptgerichte, 60 % der Zwischenverpflegung und 50 % aller Desserts sind vegan. Der Anteil pflanzlicher Optionen am Gesamtumsatz liegt bei 65 %. Das Studierendenwerk betreibt eine rein pflanzliche Mensa und punktet als Einziges mit einem tierischen Speisenanteil von unter 16 %.
Lediglich bei Kennzeichnung, Marketing und Weiterbildung des Küchenpersonals konnte der Hauptstadtgastronom nicht hoch punkten. Die Begründung: eine ohnehin hohe Akzeptanz des Angebots seitens der Tischgäste und eine bereits vorhandene gute Kompetenz der Köch:innen.
„Nur noch 3 % unserer Gerichte sind mit Fleisch und Fisch.“
Andreas Hoffmann
Mensaleiter der Mensa TU Berlin, Studierendenwerk Berlin
Studierendenwerk Darmstadt: ein Rundum-Paket
Darmstadt punktet vor allem bei der Reduktion: Ob Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Hühnereier, Süßungs- oder Geliermittel – alle tierischen Zutaten werden reduziert. Gleichzeitig wird das rein pflanzliche Angebot weiter ausgebaut: Derzeit sind 50 % aller Hauptgerichte, 33 % der Zwischenverpflegung und 50 % aller Nachspeisen vegan. Die Verkaufszahlen bewegen sich im Durchschnitt bei 32 %.
Der Standort bemüht sich um eine gute Tischgastkommunikation und führt ergänzend jahreszeitliche Aktionen durch. Sehr beeindruckend fand die Jury die gesamte nachhaltige Ausrichtung: Konsequente Reduktion von Lebensmittelabfällen, hauseigene Bäckerei, möglichst niedriger Conveniencegrad, Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten, Einsatz saisonaler Lebensmittel und dazu passende Aktionswochen sowie diverse Energiesparmaßnahmen in den Betrieben ergänzen das planetenfreundliche Menü.
„Bei der Einführung der ersten veganen Gerichte vor 10 Jahren war unser Speiseplan noch voll mit tierischen Produkten. Stand Ende 2022: Der Anteil von verkauften vegetarischen und veganen Gerichten an unseren Mensen lag bei 79 %, Tendenz steigend.“
Volker Rettig
Leiter der Abteilung Hochschulgastronomie, Studierendenwerk Darmstadt
Das große Vegan-Ranking der Betriebsgastronomie 2023
Wie veggie-freundlich sind die deutschen Eigenregie-Caterer? ProVeg hat nachgeschaut und die größten Betriebsgastronomen gerankt.
Studierendenwerk Gießen: überraschender Newcomer
Das rein pflanzliche Angebot ist mit 50 % der Hauptgerichte, 25 % der Zwischenverpflegung und 33 % der Desserts am Studierendenwerk Gießen überzeugend. Das Handwerk ist besonders beeindruckend: Die inhouse betriebene Metzgerei stellt vegane Fleischalternativen selbst her, eine Bäckerei versorgt die Mensen mit rein pflanzlichen Backwaren.
Das Studierendenwerk Gießen ist außerdem der einzige Teilnehmer, der auf Blending setzt. Beim Blending werden Zutaten tierischen Ursprungs in einer Rezeptur reduziert und durch pflanzliche Zutaten ausgetauscht. Frikadellen, Bratwürste und Bolognesen gibt es beim Hochschulgastronom mit 40 % Hülsenfrüchte-Anteil. Solche Komponenten sind nicht rein pflanzlich, tragen aber wesentlich zu einer besseren Umweltbilanz bei und helfen, jene Tischgäste abzuholen, die veganen Optionen gegenüber (noch) nicht offen sind.
„Viele vegane Komponenten stellen wir in unserer Bäckerei und Manufaktur selbst her. Ich freue mich darüber, dass sie so gut bei unseren Gästen ankommen.“
Guido Wolf
Leitung Hochschulgastronomie, Ressortleitung Mensen, Studierendenwerk Gießen
Studierendenwerk Heidelberg: der Allrounder
Das rein pflanzliche Angebot des Studierendenwerk Heidelbergs ist mit 50 % aller Hauptgerichte, 20 % der Zwischenverpflegung und 66 % aller Desserts sehr solide. 2022 wurde der vegane Anteil durch neue Rezepturen, vor allem im Dessertbereich, und „Veganisierung“ der Mensa-Klassiker erhöht. Auch die Verkaufszahlen sind gut, besonders bei Zwischenverpflegung und Nachspeisen (je 50 %). Der Standort betreibt außerdem eine vegane Pasta-Manufaktur, nutzt diverse Nudging-Methoden, bietet vegane Optionen günstiger an und schult das Personal regelmäßig. Luft nach oben gibt es unter anderem noch im Bereich Marketing.
„Wir haben unseren Einkauf von Fleisch um 40 %, Fisch um 20 % und Milchprodukten wie Butter, Sahne, Joghurt, Käse um 40 % reduziert.“
Tim Hillemann
Leiter Hochschulgastronomie, Studierendenwerk Heidelberg
„Plant-based“ in der Gastronomie 2023
Die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen sorgt für vielfältige Angebote – auch in den Restaurants. ProVeg hat erneut die Top 30 der veganfreundlichsten Restaurantketten identifiziert.
Studentenwerk Schleswig-Holstein: ein Wiedersehen
Das Studentenwerk im Norden hat es zum 2. Mal in die engere Auswahl geschafft. Obwohl das vegane Angebot im Studentenwerk Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Mitbewerbern etwas geringer ausfällt, kommen die rein pflanzlichen Menü-Optionen sehr gut an: 58 % der bestellten Hauptgerichte, 20 % aller Zwischenverpflegungen und ein Drittel aller verkauften Desserts sind vegan. Die preiswerteste Menü-Linie ist hier mittlerweile rein pflanzlich.
Das Studentenwerk baut sein pflanzliches Angebot kontinuierlich aus und setzt gleichzeitig auf geschickte Tischgastkommunikation. Zum Beispiel feiert die Hochschulgastronomie jährlich den Weltvegantag am 1. November und macht mit Pressemitteilungen, in sozialen Medien und über Plakate auf die ökologischen Vorteile veganer Speisen aufmerksam. Das Studentenwerk schult jährlich die Küchenteams und führt viele Maßnahmen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen durch.
„Wir haben die preiswerteste Menü-Linie sukzessive auf vegan umgestellt, insgesamt den Anteil der veganen Speisen erhöht und neue, attraktive pflanzliche Gerichte entwickelt. Außerdem stellen wir vegane Gerichte durch Aktionen bewusst in den Mittelpunkt.“
Kristin Dahl
Qualitätssicherung Hochschulgastronomie, Studentenwerk Schleswig-Holstein
Übergeordnete Erkenntnisse
- Vegane Milchalternativen sind an Uni-Mensen als Norm angekommen. Lediglich 2 der 14 Umfragen-Teilnehmer bieten diese nur teilweise an, nur einer verlangt dafür teilweise einen Aufpreis.
- Die Reduktion tierischer Lebensmittel ist ein wichtiger Hebel: Bei nur 3 von 14 Standorten liegt der Anteil der Gerichte mit Tierprodukten bei über 50 % vom Gesamtangebot. Die meisten Teilnehmenden haben den Anteil an Gerichten mit Tierprodukten bereits auf 30–50 % reduziert oder liegen sogar darunter.
- Einige Studenten- und Studierendenwerke bieten vegane Gerichte günstiger an – ein wirksames Nudging und ein Zeichen dafür, dass sich die Hochschulgastronomie ihrer ökologischen Verantwortung bewusst ist.
- Im Austausch mit den Tischgästen zu sein, gehört zum guten Ton und wird an allen teilnehmenden Standorten umgesetzt.
- Fast alle Teilnehmenden setzen mindestens eine Nachhaltigkeitsmaßnahme jenseits der Kulinarik um. Nur ein Bewerber machte keine Angaben hierzu. Abgefragt wurden (in Anlehnung an den EAT-Lancet-Report): Einsatz regionaler und saisonaler Lebensmittel, hauseigene Herstellung von Komponenten sowie Reduktion von Food Waste und Verpackungsmüll.
- Die größten Herausforderungen sehen die Hochschulgastronomen, ähnlich wie die Akteure aus anderen Segmenten, im Preis und der Verfügbarkeit der Produkte im Großgebinde. An zweiter Stelle wurden das Know-how der Köch:innen und fehlende Rezeptideen genannt, gefolgt von Skepsis mancher Mitarbeitenden der Hochschule.
Hochschulgastronomie: Zukunft der Betriebsgastronomie
Wer heute in der Mensa isst, steigt in den nächsten Jahren in den Arbeitsmarkt ein und wird somit zur Zielgruppe der Betriebsgastronomie. Für die junge Generation ist Nachhaltigkeit ein Herzensthema. Klimaschutz am Esstisch entwickelt sich konsequent von einem Nice-to-have zu einem Must-have. Die Planetary-Health-Mensen beweisen, dass nachhaltige Gastronomie attraktiv, lukrativ und zeitgemäß ist.
ProVeg Food Services
ProVeg Food Services bietet dem Außer-Haus-Markt Expertise auf dem Gebiet der pflanzlichen Küche und eine Fülle von Anregungen für ein nachhaltiges Angebot: Beratung, Kochtrainings, Rezeptentwicklung und Speiseplangestaltung sowie Empfehlungen für eine erfolgreiche Tischgastkommunikation. Zu unseren Kunden und Partnern zählen deutsche und internationale Caterer, Hersteller und Großhändler.
Quellen[+]
↑1 | So nachhaltig i(s)st Kantine und Mensa (2023): Eine Nestlé-Studie in Zusammenarbeit mit gv-praxis und BTG Group. Online unter: https://www.nestle.de/sites/g/files/pydnoa391/files/2023-03/Download_Nestle-Studie_2023_0.pdf [07.08.2023] |
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↑2 | EAT-Lancet Commission (2019): Healthy Diets From Sustainable Food Systems. Summary Report of the EAT-Lancet Commission. Online unter: https://eatforum.org/content/uploads/2019/07/EAT-Lancet_Commission_Summary_Report.pdf S. 10 [03.10.2023] |
↑3 | EAT-Lancet Commission (2019): Healthy Diets From Sustainable Food Systems. Summary Report of the EAT-Lancet Commission. Online unter: https://eatforum.org/content/uploads/2019/07/EAT-Lancet_Commission_Summary_Report.pdf S. 3. [03.10.2023] |
Über die Autorin
Elizabeth Buchheim
Food Services – Qualitätsmanagement